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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Halle. Schalter, Läden, Bänke, Treppen, alles war leer und verlassen. Mein Blick fiel auf die große Anzeigetafel für ankommende und abgehende Flüge. Sie war außer Betrieb. Alles, was noch davon zeugte, dass bis vor wenigen Minuten menschliches Leben den Flughafen beherrscht hatte, waren das Licht, die aus den Lautsprechern rieselnde Musik und die laufenden Gepäckkarussells und Rolltreppen.
    »Kann ich dir helfen?«, erklang eine vertraute Stimme in meinem Rücken. Ich fuhr herum – und blickte in das freundliche, gelassene Gesicht des Taxifahrers aus Kairo!
    »Sie?!« Ich starrte ihn an. »Wie kommen Sie denn hierher? Wer zum Henker sind Sie?« Ich deutete in die leere Halle. »Und wo sind die ganzen Leute geblieben? Was geht hier überhaupt vor?«
    »Das gewesen vier interessante Fragen«, antwortete mein Gegenüber. Er zündete sich eine Zigarette an, blies einen fetten Rauchring in die Luft. Statt der britischen Pilotenuniform trug er nun einen alten dunkelbraunen Ledermantel, Fliegerbrille und kniehohe Stiefel. »Meinen Namen du kennst bereits«, sagte er. »Und die Leute … Na, ich denke, sie gegangen nach Hause, weil kein Flugzeug mehr fliegen heute.«
    »Kein Flugzeug mehr? Soll das ein Witz sein?«
    »Schau nach draußen. Schneesturm zu stark. Zu gefährlich zu starten, zu gefährlich zu landen.« Er grinste. »Höhere Gewalt, kann man nichts machen.«
    »Aber ich muss … Ich habe einen sehr wichtigen Termin!«
    »Oh, ich weiß. Deshalb ich hier.«
    »Ach? Ganz zufällig?«
    »Natürlich nicht. Ich nicht glauben an Zufall, weißt du …«
    »Dann waren tatsächlich Sie der Pilot dieser Höllenmaschine dort draußen!?«
    Archon lachte, als hätte ich einen gelungenen Witz gerissen. »Das sein gut, wirklich. Ich nicht können leugnen: Ja, ich geflogen Höllenmaschine.« Er deutete eine Verbeugung an. »Und nun ich bieten dir neue Höllenmaschine, mit Kufen, die sich wirklich würde freuen, bei diesem Wetter zu starten. Wohin hast du gesagt, du müssen? Craiova?«
    Ich konnte mich nicht erinnern, ihm das gesagt zu haben, weder im Taxi in Kairo, noch sonst irgendwann.
     
    Das mir angediente Lufttaxi entpuppte sich als vierzig Jahre alte Antonov An-14, die bereits gegen Ende der Ceauşescu-Ära von der rumänischen Luftwaffe ausgemustert worden sein musste. Die zweimotorige Maschine sah aus, als hätte Archon seitdem alle äußeren Schäden mit Leukoplast repariert und anschließend mit unterschiedlich grauen Lackfarben übermalt. Vielleicht war es aber auch noch der Original-Tarnanstrich der Luftwaffe zu Zeiten der Kuba-Krise. Wuchtige Kufen, die wirkten, als seien sie einst für ein viel größeres Flugzeug konstruiert worden, stützten den Rumpf, und auf den beiden großen Heckklappen prangten altertümliche Flößer-Wappen. Das fliegende Unikum verdiente viel eher die Bezeichnung ›dadaistische Kunst‹ als den Namen ›Transportflugzeug‹.
    Da der Zugverkehr aufgrund des Schneefalls wahrscheinlich zum Erliegen gekommen war, erwies es sich jedoch als einzige Möglichkeit, im Laufe des heutigen Tages noch Craiova zu erreichen. Abgesehen davon musste dieser talentierte Taxifahrer irgendwann auch wieder zurückfliegen. Womöglich tat er dies ja mit ein paar Passagieren, die dringend nach Bukarest mussten, wer wusste das schon. Zweifellos führte Archon etwas im Schilde, sonst hätte er kaum den Aufwand betrieben, mich persönlich von Kairo nach Craiova zu chauffieren. Vielleicht sah ich mittlerweile weiße Mäuse und in jeder Gefälligkeit ein Komplott, doch ich ermahnte mich, auf der Hut zu sein. Mein Pilot war ein ausgekochtes Schlitzohr. Dennoch hegte ich die Hoffnung, er sei derjenige, der mich heil aus diesem Albtraum herausbringen würde. Aber hatte der ganze Spuk nicht erst mit ihm begonnen?
    Nein, Krispin, du hast einfach nur einen Knacks weg. Temporäre Paranoia, mehr nicht. Ruh dich aus und werde nüchtern, dann ist alles wieder wie es sein soll …
    Gewiss lag es an den Nachwirkungen der letzten Nacht, der Kombination aus zu viel ägyptischem Wein und Wasserpfeife, dass mir die vergangenen Stunden wie eine bösartige Phantasmagorie vorkamen. Vielleicht hatte mir irgendein Scherzbold zur Feier der Sonnenwende ein Opiat in den Wein gemischt. Das hätte zumindest erklärt, weshalb ich heute Morgen auf dem Rasen vor dem Hotel und nicht in meinem Bett erwacht war. Falls ich diese letzte Etappe heil überstehen sollte, so schwor ich mir, würde ich zwei Wochen lang nur Mineralwasser

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