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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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auf die verschneite Landschaft. Irgendwie wirkte sie verschwommen. Vielleicht lag es am Bodennebel. Ich erkannte keine klaren Konturen mehr, alles war verwaschen und schemenhaft. Auch das Blau des Himmels hatte sich in ein nebliges Einerlei verwandelt. Lediglich der Blick auf die Berge schien ungetrübt.
    »Was ist mit der Landschaft los?«, fragte ich.
    Archon sah nach draußen und zuckte die Schultern. »Was soll mit ihr los sein?«
    Plötzlich gab es einen dumpfen Schlag, und das Flugzeug geriet für einen Moment ins Trudeln. Irgendetwas Metallisches durchschlug die rechte Motorhaube, pfiff an der Kanzel vorbei und war im nächsten Augenblick wieder verschwunden.
    »Oh.« Archon starrte auf die Triebwerksverkleidung, in der ein handtellergroßes Loch klaffte. »Glaube, das war Schwungscheibe aus Motor.« Er sah dem Getriebeteil nach. »Konnte nicht genau erkennen, flog zu schnell fort. Kommt wahrscheinlich von NASA-Kosmonautentraining.«
    »Astronauten«, korrigierte ich ihn mit belegter Stimme. »Die NASA trainiert Astronauten.«
    »Ja, richtig, habe verwechselt.«
    »Wir werden abstürzen, nicht wahr?«
    »Nein. Motor nicht so wichtig. Willst du ein paar Kekse?«
    »Da drüben ist ein Fluss«, überging ich sein Angebot und verfolgte das unscharfe Etwas unter uns, ein blaugraues, von verschneiten Bäumen gesäumtes Band. »Das müsste …« Ich überflog die Straßenkarte. »Das müsste die Ialomita sein.« Zur Orientierung warf ich einen Blick durch die Frontscheibe – und bekam den nächsten Schreck. Die gewaltige Wolkenbank, die sich vor wenigen Minuten noch viel weiter östlich befunden hatte, hatte sich zwischen uns und das Gebirge geschoben.
    »Sie können mit der defekten Maschine unmöglich über ein zweieinhalbtausend Meter hohes Gebirge fliegen«, bemerkte ich, als Archon keine Anstalten unternahm, den Kurs zu ändern. »Nicht bei diesem Nebel. Das wäre Selbstmord!«
    »Dienstgipfelhöhe fünftausend Meter.« Der Pilot tätschelte das Instrumentenpaneel. »Kein Problem.«
    »Wenn Sie unbedingt über die Berge müssen, dann fliegen Sie wenigstens durch eines der Täler.« Hektisch studierte ich die Karte. »Hier, wir könnten nach Rîmnicu-Vîlcea ausweichen und entlang der Oltul bis nach Sibiu, dann müssen wir nicht so hoch steigen …«
    Auf einmal waren die Landschaft und der Himmel verschwunden. Konturloses Weiß war alles, was durch die Cockpitfenster zu erkennen war.
    »Drehen Sie nach Westen ab«, rief ich aufgeregt. »Und behalten Sie um Gottes willen den Höhenmesser im Auge!«
    »Höhenmesser?«
    Ich sah Archon an. »Sie haben keinen Höhenmesser?«
    Der Pilot tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. »Doch, hier drin. Alles hier drin. Höhenmesser, Navigation, Treibstoffanzeige …«
    »Nur kein Fallschirm«, bremste ich seinen Hochmut.
    Ich fragte mich, wie Archon trotz Motorschaden so ruhig bleiben konnte, noch dazu ohne zu sehen, wohin er seine Maschine lenkte. Draußen sah alles aus, als trügen die Fensterscheiben weiße Tünche. Zudem trat aus dem Loch, das das Schwungrad in die Motorhaube geschlagen hatte, Öl aus. Ich machte den Piloten darauf aufmerksam. Er nickte nur und blickte weiter in die Wolken.
    »Wie wollen Sie erkennen, ob wir auf einen Berg zufliegen?«, versuchte ich, mein Unbehagen mit Konversation zu überspielen.
    »Wenn Bäume vorne auftauchen und links und rechts sausen vorbei, dann Berg vor uns«, grinste er. »Aber dann nicht mehr wichtig. Geht schnell. Patsch!« Er klatschte in die Hände. »Spürst nicht viel.«
    »Da bin ich ja beruhigt.« Meine gesamte Kleidung klebte mir mittlerweile am Körper. »Wir sollten umkehren. Raus aus den Wolken und auf irgendeiner Straße landen.«
    »Ich beauftragt, dich hierher zu bringen«, erklärte der Pilot ohne sichtbare Gemütsregung.
    »Hierher?« Ich blickte ratlos aus dem Fenster. »In diesen Nebel? Wollen Sie mich verarschen?«
    »Gewiss nicht.«
    Ich studierte Archons Profil und musste unwillkürlich schlucken. Dann blickte ich suchend nach draußen. Ich wusste nicht genau, was ich in dem brodelnden Weiß zu finden hoffte; dicht unter dem Flugzeug vorbeihuschende Berggipfel, die trüben Positionslichter einer Landebahn, oder ein anderes Flugzeug. In dem Moment, als ich glaubte, eine geometrische Form im Dunst zu erkennen, erstarben die Motoren. Die Propeller erlahmten, drehten sich noch einige Male um ihre Achsen und erstarrten. Der einzige Unterschied zu Archons vorheriger Parabelflug-Attacke war, dass der

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