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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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angehaltenen Atem aus und sah entgeistert nach draußen. Archon stand vor dem Fenster, ungeduldig winkend.
    »Worauf wartest du?«, rief er. Seine Stimme drang gedämpft durch das Glas. »Komm raus, wir nicht ewig Zeit!« Er hopste vor der Kanzel auf und ab. »Na los, hier alles stabil. Ist wie alte Matratze.«
    Ich verfolgte fassungslos sein Treiben. Dieser Verrückte marschierte tatsächlich in einer Wolke herum! Wie in Zeitlupe stand ich auf, streifte meinen Mantel über, zog die Socken hoch, wickelte mit akribischer Sorgfalt meinen Schal um den Hals und lief schließlich durchs Flugzeug bis zur offenen Tür. Dort angekommen, streckte ich vorsichtig den Kopf nach draußen. Die einzige erkennbare Kontur war die Archons, der sich etwa zwanzig Schritte von der Maschine entfernt hatte. Er stand im Nebel und sah aus wie ein vom Blitz verstümmelter Baumstumpf.
    »Komm schon«, rief er. »Spring!«
    Ich starrte zu Boden. Dort war nichts außer einer dichten, weißen Masse, die sich zudem bewegte. Ich schluckte, setzte mich umständlich auf den Absatz der zweistufigen Bordtreppe und ließ meinen rechten Fuß vorsichtig in den Nebel sinken.
    Unter dir befinden sich eintausend Meter Leere, Krispin!, erinnerte mich Giza. Eintausend Meter freier Fall …!
    Mein tastender Fuß stieß auf ein weiches Hindernis. Ich drückte ihn mit Gewalt nach unten, doch die rätselhafte Barriere gab nicht weiter nach. Widerwillig gesellte ich den zweiten Fuß hinzu, hielt die Luft an, stieß mich ab … und stand!
    »Bravo!«, kommentierte Archon aus der Ferne.
    »Sparen Sie sich Ihren Spott!«, schimpfte ich in seine Richtung. »Sie machen das bestimmt auch nicht jeden Tag.«
    »Doch«, antwortete der Pilot.
    »Können wir Ihren Auftraggeber nicht über Funk verständigen und hier auf ihn warten? Ist es wirklich nötig, dass ich Sie begleite?«
    »Absolut.«
    »Warum?«
    »Weil das retten könnte deine Seele.« Archons Schatten wurde verschwommener, woraus ich schloss, dass er sich von mir entfernte.
    »Meine Seele?« Nach drei, vier ängstlichen Schritten eilte ich zügig in seine Richtung, um ihn nicht zu verlieren. »Was soll das denn schon wieder heißen?«
    Der Pilot schnaubte nur missmutig und sah in eine für Blicke unerreichbare Ferne. Sein Gesicht war angespannt, seine Augen zu Schlitzen verengt. Er hatte beide Hände in seinen Hosentaschen vergraben und schritt durch den Dunst wie ein aufgezogener Blechsoldat. Ich band mir den Schal enger um den Hals, zog den Kopf ein und lief schweigend neben ihm her. Es war verhältnismäßig frisch, doch nahezu windstill und keinesfalls so kühl, wie die Gebirgsluft in dieser Höhe sein musste. Zudem hatte ich das Gefühl, dass der Nebel wärmer wurde, je mehr wir uns seinem ominösen Zentrum näherten.
    Ich schüttelte den Kopf und schloss für ein paar Sekunden die Augen.
    »Wissen Sie eigentlich, wohin Sie gehen?«, erkundigte ich mich nach einer Zeit beiderseitigen Schweigens. Archon warf mir einen knappen Blick zu, ohne zu antworten. Ich berührte seinen Rucksack und erfühlte einen massiven, quaderartigen Gegenstand. »Was haben Sie da drin?«
    »Nichts von Bedeutung.«
    »Sie lügen.«
    »Und du sein zu neugierig, Stadtmensch.«
    »Ich möchte nur wissen, worauf ich mich hier eingelassen habe.«
    »Das wirst du bald.« Er deutete vor sich in die Schwaden. »Dort, siehst du?«
    Ich folgte seiner Geste mit dem Blick. Im ersten Moment entdeckte ich nichts Besonderes, dann schälte sich immer deutlicher ein riesiges, kubisches Gebilde aus dem Nebel. Zwar verzerrte der Dunst die Proportionen und beeinträchtigte mein Vermögen, die Entfernung abzuschätzen, aber die Konstruktion – Bauwerk oder Flugobjekt – war kolossal. Sie musste sich über eine Fläche von mehreren Dutzend Quadratkilometern ausdehnen, ganz zu schweigen davon, wie tief der Komplex noch im Nebel verborgen war. Ich erkannte beim Näherkommen weder Vorsprünge, noch entdeckte ich Nahtstellen oder Anzeichen von Fugen im Mauerwerk. Die gesamte Konstruktion schien aus einem einzigen Guss oder Felsblock zu bestehen. Keine Verstrebungen, keine Fenster, kein Licht, keine Nischen, nicht eine einzige Öffnung unterbrach die Oberfläche. Das Gebilde schwebte im Nebel wie ein schwarzer, in irrationale Dimensionen verzerrter Grabstein.
    »Was in aller Welt ist das?«, fragte ich fassungslos.
    »Stele boreios«, antwortete Archon, den der Anblick keineswegs zu beeindrucken schien. »Unser Ziel.« Unbeirrt marschierte er auf das

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