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Mortal Kiss

Mortal Kiss

Titel: Mortal Kiss
Autoren: A Moss
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wüsste sie ihn gern in Sicherheit.
    »Na « , sagte Pam, als die drei zu Ende berichtet hatten, »und so was kommt in unsere verschlafene Kleinstadt .«
    »Ich wünschte, das wäre nicht passiert « , erwiderte Joe ernst. »Aber es ist nun mal geschehen, und jetzt brauchen wir Ihre Hilfe. Ich habe gehört, Sie sind eine Geschichts- und Kulturexpertin .«
    Pam lächelte. »Ich weiß ein paar nützliche Einzelheiten und habe früher Volkskunde an der Miskatonic-Universität unterrichtet. Und was ich nicht kenne, weiß ich in der Regel zu finden « , setzte sie hinzu und wies auf die Bücher in den hohen Regalen ringsum. »Was brauchen Sie ?«
    »Eine Übersetzung dessen, was hier steht « , sagte Joe, zog die Schriftrolle aus der Tasche und gab sie ihr. »Wahrscheinlich kennen Sie die Sprache nicht .«
    Pam rollte das Papier aus, besah sich den Text kurz und blickte auf. »Das scheint ein altes kyrillisches Manuskript zu sein « , erklärte sie. »Allerdings dürfte es sich um eine nichtslawische Variante handeln, die mir nie begegnet ist. Um einen Ableger des Rumänischen vielleicht? Oder des Baschkirischen? Immerhin weist der Text so viele Parallelen zu beiden Sprachen auf, dass ich ihn wohl übersetzen kann .«
    Faye sah, wie beeindruckt Joe war, und empfand erneut Stolz auf ihre Tante. »Einiges davon kann ich lesen, aber nicht alles « , sagte er. »In der Gegend dort gibt es so viele Sprachverästelungen .«
    Pam nickte und musterte weiter die Schriftrolle. »Gut, zusammen sollte es uns gelingen, aus dem meisten hier schlau zu werden .« Sie stand auf und trat an das Regal mit alten Ausgaben illustrierter Gedichte. »Aber erst möchte ich euch das hier zeigen .«
    Sie erhoben sich und drängten sich um Tante Pam, die ein großes, ledergebundenes Buch aus dem Regal gezogen hatte und auf dem Schreibtisch dafür Platz schaffte. Dann öffnete sie den Band einen Spalt und blätterte die empfindlichen Seiten durch. Als sie fündig geworden war, klappte sie das Buch auf und legte den Text für alle sichtbar auf den Tisch.
    » La Belle Dame sans Merci « , las Faye vor.
    »Die schöne Dame ohne Mitleid « , übersetzte Tante Pam aus dem Französischen. »Eine Ballade des englischen Dichters John Keats über einen guten, reinen Ritter, der sich plötzlich verzaubert und an eine schöne Frau gefesselt sieht, die er auf freiem Feld getroffen hat. In einem schillernden Traum erblickt er ›Monarchen, Fürsten bleich, bleich Krieger, todbleich alle Mann‹, die wie er dieser grausamen Schönheit verfielen .« Pam sah Joe an. »Kommt Ihnen das bekannt vor ?«
    Joe beugte sich vor. »Wie alt ist dieses Gedicht ?«
    »Keats hat zwei Versionen verfasst, die erste 1819 « , erwiderte Pam. »Doch der Titel seiner Ballade ist weit älter … schon 1424 hat Alain Chartier eine gleichnamige Verserzählung geschrieben .«
    Faye sah gebannt auf die Keats-Verse. »Kann es sich hier um Mercy Morrow handeln ?« , fragte sie schließlich und blickte Lucas an. »Macht sie das wirklich schon so lange ?«
    Lucas zuckte kopfschüttelnd mit den Achseln. »Frag mich nicht « , antwortete er sichtlich aufgebracht. »Ich habe keine Ahnung mehr, wer diese Frau ist, aber als meine Mutter werde ich sie nie wieder bezeichnen .«
    Joe richtete sich auf. »Das ist sie aber « , sagte er leise. »Es tut mir leid, Lucas, aber sie ist tatsächlich deine Mutter .«
    Draußen zerstörte ein röhrendes Motorrad die Stille. Es hielt neben der Ladentür, und im nächsten Moment klopfte jemand ans Schaufenster. Faye öffnete, und Finn stand auf der Schwelle. Er atmete heftig, und seine Augen blickten wild.
    *
    Mitch Wilson verließ das Anwesen und ging in den tiefen Schnee hinaus. In den letzten Stunden hatte es so geschneit, dass man glauben konnte, die Flocken würden sich bald bis zum Himmel türmen und die Erde unter ewigem Eis begraben.
    Der große Schlüsselbund, den Mercy ihm anvertraut hatte, klirrte an seinem Gürtel. Er ging zu den verfallenen Nebengebäuden, die ein Stück vom Haupthaus entfernt standen. Wie die ganze Anlage hatten sie vor Mercys Ankunft jahrelang leer gestanden. Doch anders als das Haupthaus waren sie in schlechtem Zustand. Wo die Schieferplatten vom Dach gefallen waren, regnete es herein, und die Holztüren waren verzogen, die Schlösser verrostet.
    Als Mitch die Tür des abgelegensten Stalls erreichte, schob er den passenden Schlüssel ins silberne Schloss. Es war erst nach Mercys Ankunft angebracht worden und ließ sich problemlos
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