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Mortlock

Mortlock

Titel: Mortlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Mayhew
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um – und schrie auf vor Schreck. Ulrico stand hinter ihr und versperrte ihr den Weg.
    »Alles in Ordnung, Herzchen?«, fragte er grinsend. Josie konnte die Bartstoppeln sehen, die durch die bleichen Schminkreste auf seinem Kinn wuchsen. Er sah genauso aus wie sein Wohnwagen: ausgeblichen und heruntergekommen. »Hat Walnuss dich geärgert?«
    »Nein, nein«, sagte Josie und wich vor dem massigen Clown zurück. Er kam näher und leckte sich über die Lippen.Hinter seinen Ohren ragten wilde Haarbüschel hervor, aber oben auf dem Kopf war er fast vollkommen kahl.
    »Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe. Du hast doch keine Angst vor dem alten Ulrico, oder?« Der Clown legte den Kopf schief und beugte sich zu Josie hinunter, bis sein Gesicht direkt vor ihrem war. »Ich kannte dich schon, als du noch ein kleines Baby warst. Bevor
er
kam …«
    »W-wer?« Josie stand jetzt mit dem Rücken an der Wand des Wohnwagens, und Ulrico blies ihr seinen stinkenden Atem ins Gesicht. Sie wandte den Kopf zur Seite.
    »Der Kerl, der Schuld ist an unserem ganzen Elend«, zischte Ulrico. »Er liebte Lilly, aber sie hatte genug von ihm. Er wollte uns nicht glauben, als wir ihm sagten, dass sie tot ist.«
    »Was ist denn passiert?«, fragte Josie mit zitternder Stimme. Sein Atem und seine aufdringliche Nähe stießen sie ab, aber die Neugier war stärker.
    »Er kam hierher zurück, mit seiner verdammten Magie. Angefleht haben wir ihn und ihm gesagt, dass sie tot ist.« Ulricos schnaufender, stinkender Atem war so widerlich, dass Josie die Augen zusammenkniff. »Aber er wollte nichts davon hören … Hat uns alle verflucht und zu lebenden Toten gemacht.«
    »Aber wie konnte er euch verfluchen?«, fragte Josie und öffnete die Augen. »Wer war er? Wie hieß er?«
    »Professor Necros«, fauchte Ulrico. »Dein Vater hat uns das angetan! Und alles nur wegen deiner verdammten Mutter!«
    Mit einem Schrei der Angst und des Ekels stieß Josie Ulrico beiseite und rannte zurück zum Zirkuszelt.
    »Und du wirst auch bald dazugehören, Herzchen«, rief Ulrico hinter ihr her. »Niemand verlässt den Zirkus!«
    Ein seltsam schmatzendes Geräusch ließ Josie innehalten.Sie spähte zwischen den Wohnwagen hindurch in die Dämmerung und erstarrte vor Entsetzen. Überall aus den Wasserlöchern in der Marsch reckten sich bleiche, knochige Hände. Unheimliche Gestalten mit langem, nassem Haar und halb verwester Haut krochen aus den Löchern und starrten Josie mit toten Augen an. Männer, Frauen und Kinder schleppten sich über die schmalen Pfade, die zwischen den Wohnwagen verliefen, und kamen mit ausgestreckten Händen auf sie zu.
    Panisch sah Josie sich um und überlegte, ob sie zu Ulrico zurücklaufen sollte, doch die schlurfenden Toten versperrten ihr bereits den Weg. Ihre Haut kribbelte, als sie rücklings bis zum Zelt zurückwich, umschlossen von der schweigenden, geisterhaften Menge. Sie versuchte, sich auf den groben Stoff unter ihren Händen zu konzentrieren und nicht in die ausdruckslosen Gesichter zu schauen, die immer näher kamen und immer zahlreicher wurden. Josie roch die Verwesung und den algigen Geruch des Meeres, das die Marsch umspülte und in ihren tückischen Löchern lauerte.
    Immer näher kamen sie, dicht aneinandergedrängt, und griffen nach ihr. Sie konnte zerrissene Hosen und fleckige Hemden sehen. Schluchzend versuchte sie, die kalten, feuchten Hände abzuwehren. Der Haupteingang des Zirkuszelts sah aus wie das Maul eines riesigen Meeresungeheuers, das darauf wartete, sie zu verschlingen. Josie blieb nichts anderes übrig, als hineinzutaumeln.
    Das Innere des Zelts roch modrig. Ein trübes grünliches Licht lag über der Manege. Josie kam sich vor wie in den Tiefen des Meeres. Die Seile und Strickleitern, die aus den Schatten herabhingen, sahen aus wie die Takelage eines gesunkenen Schiffs. Eine Gänsehaut jagte über ihren Rücken, als sie sah, dass die Bänke mit Zuschauern besetzt waren.Sie starrten sie mit ausdruckslosen Gesichtern und leeren Augenhöhlen an.
    Alfie hing schlaff und zitternd an der Korkwand in der Manege. Josie wollte gerade zu ihm laufen, da tauchte Lorenzo neben ihr auf und drückte ihr die Wurfmesser in die Hand. Ulrico paradierte in seinem verschlissenen Clownskostüm vor den Zuschauern auf und ab, mimte wildes Gelächter und zeigte höhnisch auf Josie, das Gesicht von Hass verzerrt.
    »Meine Damen und Herren«, rief Lorenzo und hob seinen langen, skelettartigen Arm. »Aus London präsentiere ich Ihnen

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