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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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Kriegsbedingte
Sparmaßnahmen, dass ich nicht lache - in so einem Haus!« Sie machte eine Geste
in Richtung Schloss. »Wahrscheinlich findet sie, wir müssten sie bedienen.«
    »Das
findet sie nicht!«, sagte Meredith. »So sind die gar nicht!«
    »Meredith.«
Ihr Dad hatte die Stimme erhoben, er klang beinahe flehend, und jetzt schaute
er sie mit zusammengezogenen Brauen an.
    »Aber Dad,
sieh doch, wie schön sie extra für uns den Tisch gedeckt...«
    »Jetzt
reicht's, Fräulein.« Ihre Mum war aufgesprungen und zerrte Meredith an ihrem
neuen Kleid auf die Füße. »Du gehst jetzt da rein und holst deine Sachen. Und
zwar deine eigenen. Der Zug fährt bald ab, und wir fahren alle mit.«
    »Ich will
aber nicht mitfahren«, sagte Meredith und wandte sich Hilfe suchend an ihren
Dad. »Lass mich hierbleiben, Dad. Bitte zwing mich nicht mitzufahren. Ich lerne
gerade ...«
    »Pah!«,
stieß ihre Mum mit einer verächtlichen Handbewegung hervor. »Ich sehe genau,
was du hier bei der feinen Lady lernst - deinen Eltern Widerworte geben. Und
ich sehe auch, was du vergessen hast: Wer du bist, wo du herkommst und wo du
hingehörst.« Sie fuchtelte mit einem Finger vor Dads Nase herum. »Ich hab dir
ja gleich gesagt, dass es ein Fehler war, sie fortzuschicken. Hätten wir sie
bloß zu Hause behalten, wie ich gesagt habe ...«
    »Schluss
jetzt!« Ihrem Dad platzte endgültig der Kragen. »Es reicht, Annie. Setz dich.
Es gibt keinen Grund, sich zu ereifern. Die Kinder kommen ja jetzt mit nach
Hause.«
    »Nein, ich
komme nicht mit!«, rief Meredith.
    »O doch«,
fauchte ihre Mum und hob eine Hand, als holte sie zu einer Ohrfeige aus. »Und
wenn wir zu Hause sind, gibt's einen Satz heiße Ohren für dich.«
    »Hör auf,
zum Donnerwetter!« Dad war ebenfalls aufgesprungen und packte Mum am
Handgelenk. »Herrgott noch mal, beruhige dich, Annie!« Er schaute ihr in die
Augen, und irgendetwas passierte zwischen den beiden. Meredith sah, wie der Arm
ihrer Mum erschlaffte. Ihr Dad nickte. »Wir sind alle ein bisschen angespannt,
das ist alles.«
    »Sprich du
mit deiner Tochter ... Ich ertrage das nicht länger. Ich kann nur hoffen, dass
sie nie erleben muss, wie es ist, ein Kind zu verlieren.«
    Dann
entfernte sie sich, die Arme vor ihrem dünnen Körper verschränkt.
    Plötzlich
fand Meredith, dass ihr Dad müde und alt aussah. Er fuhr sich mit der Hand
durchs Haar. Es wurde oben schon ganz schütter, sodass man noch die Spuren
sehen konnte, die der Kamm hinterlassen hatte. »Du darfst ihr nicht böse sein.
Sie braust einfach schnell auf, du kennst sie ja. Sie hat sich Sorgen um dich
gemacht, wir beide haben uns Sorgen gemacht.« Er drehte sich zum Schloss um,
das hinter ihnen aufragte. »Wir haben Geschichten gehört. Von Rita, von ein
paar Kindern, die wieder zu Hause sind, schreckliche Geschichten darüber, wie
man sie behandelt hat.«
    War das
alles? Meredith atmete erleichtert auf. Sie wusste, dass manche
Kinder es nicht so gut angetroffen hatten wie sie, aber wenn es das war, was
ihre Eltern beunruhigte, dann musste sie ihrem Dad ja nur versichern, dass es
ihr blendend ging. »Aber ihr braucht euch keine Sorgen zu machen, Dad. Ich habe
es euch doch geschrieben: Es geht mir gut hier. Lest ihr meine Briefe denn
nicht?«
    »Natürlich
habe ich sie gelesen. Und deine Mum auch. Das ist für uns der schönste Moment
am Tag, wenn ein Brief von dir kommt.«

So wie er
es sagte, wusste Meredith, dass es stimmte, und es versetzte ihr einen Stich,
als sie sich vorstellte, wie sie am Tisch saßen und sich Gedanken machten über
das, was sie schrieb. »Na dann wisst ihr ja, dass hier alles in Ordnung ist«,
sagte sie, ohne ihn anzusehen, »mehr als in
Ordnung.«
    »Ich weiß,
dass du das geschrieben hast.« Er schaute zu ihrer Mum hinüber, um sich zu
vergewissern, dass sie sich außer Hörweite befand. »Aber das ist ja gerade das
Problem. Deine Briefe sind so ... heiter. Und deine Mutter hat von einer Freundin
gehört, dass manche Gastfamilien die Briefe, die die Kinder nach Hause
schreiben, kontrollieren. Damit sie ihren Eltern nichts erzählen, was ein
schlechtes Licht auf die Gastfamilien werfen könnte. Damit sie alles schöner
darstellen, als es in Wirklichkeit ist.« Er seufzte. »Aber das ist bei dir nicht
der Fall, nicht wahr, Merry?« »Nein, Dad.«
    »Du bist
glücklich hier? So glücklich, wie du es in deinen Briefen beschreibst?«
    »Ja.«
Meredith spürte, dass er ins Wanken geriet. Sie witterte ihre Chance und sagte
hastig:

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