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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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manchmal, wie zum Beispiel heute, ärgerte es sie maßlos,
dass von ihr erwartet wurde, immer ohne Widerrede nachzugeben, ohne Rücksicht
auf ihre Wünsche.
    Saffy
tauchte wieder aus dem Wasser auf, lehnte sich in der Wanne zurück und wischte
sich mit einem nassen Lappen das vor Zorn erhitzte Gesicht. Die Emaille fühlte
sich kühl an ihrem Rücken an. Sie legte den Lappen wie eine kleine Decke über
ihre Brüste und ihren Bauch, sah zu, wie er sich mit ihren Atemzügen spannte
und wieder zusammenzog wie eine zweite Haut. Dann schloss sie die Augen. Wie
konnte Percy es wagen, in ihrem Namen zu sprechen? In ihrem Namen Entscheidungen
zu treffen, über ihre Zukunft zu bestimmen, ohne vorher mit ihr darüber zu
reden?
    Aber Percy
handelte einfach, so wie sie es immer getan hatte, und wie eh und je hatte es
auch heute keinen Zweck, mit ihr zu streiten.
    Saffy
atmete tief und langsam aus, um ihre Wut in den Griff zu bekommen. Der
Schluchzer wurde zu einem beherzten Seufzer. Wahrscheinlich sollte sie sich
freuen, sich gar geehrt fühlen, dass Percy sie so sehr brauchte. Und das tat
sie auch. Aber sie war es dennoch leid, ihr so hilflos ausgeliefert zu sein,
mehr noch, sie ertrug es nicht mehr. Seit sie denken konnte, war sie in einem
Leben gefangen, das parallel zu dem verlief, das sie sich erträumt hatte, zu
dem, von dem sie zu Recht erwartet hatte, dass sie es verdiente.
    Aber
diesmal gab es etwas, das sie tun konnte - Saffy rieb sich die Wangen,
plötzlich wieder munter, als ihre Entschlusskraft zurückkehrte -, eine
Kleinigkeit, eine winzige Möglichkeit, das bisschen Macht über Percy, das sie
besaß, auszukosten. Es würde eher ein Akt der Unterlassung sein, Percy würde
nie erfahren, dass ein Schlag gegen sie ausgeführt worden war. Der einzige
Gewinn würde darin liegen, dass Saffy einen Teil ihrer Selbstachtung
zurückgewann. Aber das reichte.
    Saffy
würde etwas für sich behalten, etwas, das Percy unbedingt würde wissen wollen.
Es betraf den unerwarteten Besucher, der am Tag zuvor im Schloss gewesen war.
Percy war in der Kirche bei Lucys Hochzeit, Juniper im Dachzimmer, und Meredith
trieb sich auf dem Anwesen herum, als Mr. Banks, der Anwalt ihres Vaters, in
seinem schwarzen Auto vorgefahren kam, in seiner Begleitung zwei kleine,
verdrießliche Frauen in einfachen Kostümen. Saffy, die gerade dabei gewesen
war, draußen den Tisch zu decken, hatte kurz überlegt, sich zu verstecken, so
zu tun, als sei niemand zu Hause - sie mochte Mr. Banks nicht besonders, und es
widerstrebte ihr, unangemeldete Besucher hereinzulassen -, aber sie kannte den
alten Mann schon seit ihrer Kindheit, er war ein Freund ihres Vaters, und
deswegen hatte sie sich, auch wenn sie sich das nicht erklären konnte,
verpflichtet gefühlt.
    Sie war
durch die Hintertür ins Haus geeilt, hatte sich vor dem ovalen Spiegel neben
der Vorratskammer hastig zurechtgemacht, war nach oben gelaufen und hatte ihm
die Tür geöffnet. Er war überrascht gewesen, ja beinahe verärgert, als sie vor
ihm stand, und hatte sich laut gefragt, was das für Zeiten seien, dass selbst
ein vornehmes Haus wie Schloss Milderhurst keine Haushälterin mehr
beschäftigte. Dann hatte er sie gebeten, ihn zu ihrem Vater zu führen. Sosehr
Saffy auch bestrebt war, sich an die veränderten Gepflogenheiten der modernen
Zeiten anzupassen, so besaß sie doch eine altmodische Ehrfurcht vor dem Gesetz
und dessen Vertretern und hatte getan, was er verlangte. Er war kein Mann, der
viele Worte verlor (das heißt, er war nicht geneigt, mit den Töchtern seiner
Mandanten Höflichkeiten auszutauschen), und so waren sie schweigend die Treppe
hochgegangen - worüber Saffy froh war, denn Männer wie Mr. Banks verschlugen
ihr ohnehin die Sprache. Oben angekommen, hatte er sie mit einem knappen
Nicken entlassen und dann gemeinsam mit seinen beiden beflissenen Begleiterinnen
das Turmzimmer ihres Vaters betreten.
    Saffy
hatte nicht vorgehabt zu lauschen. Im Gegenteil, die Störung durch die Besucher
war ihr genauso unangenehm gewesen wie alles, was sie dazu zwang, in den
grässlichen Turm zu steigen, diesen Ort mit dem monströsen Gemälde an der Wand
zu betreten, wo es nach Krankheit, Leiden und Tod roch. Hätte nicht der
verzweifelte Kampf eines Schmetterlings, der sich in einem Spinnennetz zwischen
den Stäben des Treppengeländers verfangen hatte, ihre Aufmerksamkeit erregt,
wäre sie bestimmt längst wieder auf dem Weg nach unten und außer Hörweite gewesen.
Aber sie hatte den

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