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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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sich aber für mich zu freuen. »Also, das ist ja ...
Haben Sie etwas dagegen, wenn ich ...?« Sie klopfte auf den Stuhl mir
gegenüber.
    »Natürlich
nicht.«
    Mit einem
Seufzer ließ sie ihren fülligen Körper auf den Stuhl fallen, legte sich eine
Hand auf den Bauch und richtete sich auf. »So, jetzt geht's mir besser. Ich bin
schon den ganzen Tag auf den Beinen ...« Sie nickte zu meinen Notizen. »Aber
ich sehe, Sie arbeiten ja auch den ganzen Tag.«
    »Ich
versuch's. Aber irgendwie bin ich mit den Gedanken woanders.«
    »Ach.«
Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. »Wohl bei Ihrem Liebsten, was?«
    »So was
Ähnliches. Mrs. Bird, hat heute zufällig jemand für mich angerufen?«
    »Angerufen?
Nicht, dass ich wüsste. Haben Sie einen Anruf erwartet? Von dem jungen Mann,
der in Ihrem Kopf herumspukt?« Plötzlich kam ein Leuchten in ihre Augen. »Ist
es Ihr Verleger?«
    Sie sah
mich so hoffnungsfroh an, dass es mir beinahe herzlos erschien, sie zu
enttäuschen. Um jedoch keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, sagte ich:
»Ich hatte einen Anruf von meiner Mutter erwartet. Ich hatte gehofft, sie könnte
für einen Tag zu Besuch herkommen.«
    Ein
besonders heftiger Windstoß rüttelte an den Fensterläden. Mrs. Bird und ich
waren die Einzigen, die noch im Esszimmer saßen, das Kaminholz war so weit
heruntergebrannt, dass es rot glühte, hin und wieder laut knallte und winzige
Goldstücke gegen die Kaminwände spuckte. Ich weiß nicht, ob es an dem warmen,
verrauchten Zimmer lag, das in so starkem Kontrast zu dem stürmischen und
nasskalten Wetter stand, oder ob es eine Reaktion auf die alles durchdringende
Atmosphäre von Verwicklungen und Geheimnissen war, die ich im Schloss erlebt
hatte, oder einfach nur ein plötzliches Verlangen danach, ein normales Gespräch
mit einem anderen Menschen zu führen. Wie auch immer, mich überkam plötzlich
ein starkes Mitteilungsbedürfnis. Ich klappte mein Notizbuch zu und schob es
zur Seite. »Meine Mutter war während des Kriegs hier evakuiert«, sagte ich.
    »Hier im Dorf?«
    »Im Schloss.«
    »Nein! Wirklich? Sie hat bei den
Schwestern gewohnt?«
    Ich nickte, beglückt über ihre
Reaktion.
    »Du liebe
Güte!«, sagte Mrs. Bird und faltete die Hände. »Da wird sie ja eine Menge zu
erzählen haben. Gar nicht auszudenken.«
    »Ich habe sogar ihr Kriegstagebuch
...« »Kriegstagebuch?«
    »Ihr
Tagebuch aus der Zeit. Gedanken darüber, wie es ihr ergangen ist, über die
Leute, die sie kennengelernt hat, über das Schloss.«
    »Ach, dann
kommt ja bestimmt auch meine Mutter darin vor«, sagte Mrs. Bird und richtete
sich stolz auf.
    Jetzt war
ich es, die überrascht war. »Ihre Mutter?«
    »Sie hat
im Schloss gearbeitet. Hat als Dienstmädchen im Alter von sechzehn Jahren
angefangen; zum Schluss war sie die Haushälterin. Lucy Rogers, aber damals hieß
sie noch Middleton.«
    »Lucy
Middleton«, sagte ich langsam und überlegte, ob ich im Tagebuch meiner Mutter
irgendwo auf den Namen gestoßen war. »Ich weiß nicht; da müsste ich
nachsehen.« Die Enttäuschung war Mrs. Bird anzusehen. Sofort bekam ich ein
schlechtes Gewissen und versuchte krampfhaft, die Situation wieder hinzubiegen.
»Sie hat mir noch nicht viel darüber erzählt, wissen Sie. Ich habe überhaupt
erst vor Kurzem von ihrer Evakuierung erfahren.«
    Ich
bereute meine Worte auf der Stelle. Als ich mich reden hörte, wurde mir mehr
denn je bewusst, wie merkwürdig es war, dass eine Frau so etwas geheim hielt.
Und zu allem Überfluss fühlte ich mich plötzlich mitschuldig, so als wäre das
Schweigen meiner Mutter mein persönliches Versagen. Ich kam mir ziemlich
töricht vor, denn wenn ich ein bisschen umsichtiger gewesen wäre, ein bisschen
weniger darauf bedacht, Mrs. Birds Interesse zu wecken, hätte ich mich nicht in
diese dumme Situation manövriert. Doch Mrs. Bird schien alles anders als
verwundert. Mit einem wissenden Nicken beugte sie sich zu mir vor und sagte:
»Eltern und ihre Geheimnisse, nicht wahr?«
    »Stimmt.«
Ein Stück glühender Holzkohle zerstob im Kamin, und Mrs. Bird bedeutete mir,
sie werde gleich wieder zurück sein; sie erhob sich und verschwand durch eine
Geheimtür in der tapezierten Wand.
    Der Regen
schlug gegen die Holztür und füllte den Teich im Hof. Ich legte die Handflächen
gegeneinander, hielt sie einen Moment lang wie zum Gebet gefaltet an die Lippen
und schmiegte dann meine Wange an meinen vom Kaminfeuer gewärmten Handrücken.
    Mrs. Bird
kehrte mit einer Flasche Whisky und

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