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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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der alles einfach
sich selbst überlassen hatte, die Zimmer mit ihren verblassten Tapeten und
verschlissenen Seidenstoffen und den mit Binsenmatten ausgelegten Böden, die
Vasen und ausgestopften Vögel, die schweren Möbel, die in stummer Hoffnung
darauf warteten, wieder benutzt zu werden.
    Aber
vielleicht kam das auch alles erst später. Vielleicht kamen mir die Worte
meiner Mutter zuerst in den Sinn, denn natürlich hatte sie an Milderhurst
gedacht, als sie mir von echten Menschen in richtigen Häusern mit vielen Zimmern
erzählt hatte. Was sonst sollte sie dazu gebracht haben, so etwas zu sagen?
Der entrückte Gesichtsausdruck war das Ergebnis ihrer Erinnerungen an diesen
Ort gewesen. Sie hatte an Percy, Saffy und Juniper Blythe gedacht und die
seltsamen, geheimnisvollen Dinge, die ihr als Kind widerfahren sein mussten,
als sie von Südlondon nach Schloss Milderhurst verpflanzt worden war. Dinge,
die noch nach fünfzig Jahren eine solche Macht auf sie ausübten, dass sie wegen
eines verloren gegangenen Briefs in Tränen ausbrach.
    Wie auch
immer, jedenfalls war bei Percys Führung an jenem Morgen meine Mutter immer
bei mir. Ich hätte mich nicht dagegen wehren können, selbst wenn ich es gewollt
hätte. Egal, wie eifersüchtig ich darauf beharrt hatte, meine Erkundung des
Schlosses als etwas Ureigenes zu betrachten, ein Teil meiner Mutter, von dem
ich weder etwas geahnt noch gewusst hatte, war ganz offensichtlich untrennbar
mit diesem Haus verbunden. Ich war es nicht gewohnt, etwas mit ihr gemeinsam
zu haben, und allein die Vorstellung ließ die Welt schneller rotieren, aber
nach einer Weile merkte ich, dass ich eigentlich gar nichts dagegen hatte. Im
Gegenteil, ich war froh darüber, dass mir ihre eigenartige Bemerkung im Museum
nicht länger ein Rätsel war, ein Mosaikstein, der nirgendwohin passte. Es war
ein Fragment aus der Vergangenheit meiner Mutter, das irgendwie heller und
interessanter zu sein schien als der Rest.
    Und so kam
es, dass, während Percy mich herumführte und ich zuhörte, mich umsah und
nickte, ein geisterhaftes Londoner Kind still neben mir her ging, ängstlich und
mit großen Augen: Es war auch zum ersten Mal hier. Und es gefiel mir, dass es
da war; am liebsten hätte ich über die Jahrzehnte hinweg seine Hand genommen.
Ich fragte mich, wie das Haus wohl im Jahr 1939 gewesen war und wie viel sich in den vergangenen fünfzig
Jahren verändert haben mochte. Ob sich Schloss Milderhurst schon damals
angefühlt hatte wie ein schlafendes Haus, träge, staubig und dämmrig. Ein altes
Haus, das den Zeiten trotzte. Und ich fragte mich, ob ich wohl Gelegenheit
bekommen würde, das kleine Mädchen zu fragen, ob es noch hier war. Ob ich es
jemals würde finden können.
     
    Es ist
unmöglich, alles wiederzugeben, was ich an jenem Tag in Milderhurst zu hören
und zu sehen bekam, und es ist auch unwichtig für den Fortgang dieser
Geschichte. So vieles ist seitdem geschehen; Ereignisse, die danach
stattgefunden haben, vermischen sich längst in meiner Erinnerung, sodass es
schwierig ist, meine ersten Eindrücke von dem Haus und seinen Bewohnerinnen
herauszufiltern. Ich werde mich also bei meiner Erzählung an die Anblicke und
Geräusche halten, die mir am lebhaftesten in Erinnerung geblieben sind, und
auch nur diejenigen Ereignisse erwähnen, die einen Bezug zu dem haben, was
danach kam und was vorher geschehen war. Ereignisse, die niemals in meinem
Gedächtnis verblassen dürfen - und werden.
    Zwei
wichtige Dinge wurden mir während der Führung klar. Erstens hatte Mrs. Bird
reichlich untertrieben, als sie gesagt hatte, Milderhurst sei ein bisschen vernachlässigt.
Das Schloss war völlig heruntergekommen, und nicht etwa auf schicke, morbide
Art. Zweitens, und das war noch bemerkenswerter, Percy Blythe war für diese
Tatsache völlig blind. Ungeachtet der dicken Staubschicht auf den schweren
Möbeln, der stickigen, staubgeschwängerten Luft und der von Generationen von
Motten zerfressenen Vorhänge sprach sie über das Haus, als stünde es in seiner
Blüte, als würden hier elegante literarische Salons veranstaltet, bei denen
Mitglieder der königlichen Familie sich unter Künstler und Intellektuelle
mischten, und als würde eine Heerschar von Bediensteten unsichtbar durch die
Flure eilen, um die Anordnungen der Familie Blythe auszuführen. Ich hätte
Mitgefühl für sie empfinden können, weil sie so sehr in ihrer Fantasiewelt
gefangen war, aber sie war so ganz und gar nicht der Typ Mensch, der

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