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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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Korridors erwartete; eine reich bestückte Bibliothek jedenfalls nicht.
Genau das jedoch lag vor mir, als ich Percy Blythe in das Zimmer folgte.
Raumhohe Regale an allen vier Wänden, und selbst im schummrigen Licht - die
Fenster wurden von schweren, bodenlangen Vorhängen verdunkelt - konnte ich
sehen, dass sie mit sehr alten Büchern gefüllt waren, von der Sorte mit
marmorierten Vorsatzblättern und Goldschnitt. Es juckte mich gewaltig in den
Fingern, die Buchrücken zu befühlen, ein Buch zu entdecken, dessen Verlockung
ich nicht würde widerstehen können, es aus dem Regal zu nehmen, es behutsam
aufzuschlagen, dann die Augen zu schließen und den betörenden Duft alten,
literarischen Staubs in mich aufzunehmen.
    Percy
Blythe bemerkte meine Neugier und schien meine Gedanken zu lesen. »Natürlich
alles Ersatzstücke«, sagte sie. »Der größte Teil der ursprünglichen Familienbibliothek
ist in Flammen aufgegangen. Es war kaum etwas zu retten, und die Bücher, die
nicht verbrannten, sind dem Rauch und dem Wasser zum Opfer gefallen.«
    »All die
vielen Bücher«, murmelte ich, während ich fast körperlichen Schmerz empfand.
    »Ja.
Meinen Vater hat es schwer getroffen. Er hat danach fast sein ganzes Leben der
Wiederanschaffung der Sammlung gewidmet. Briefe wurden in alle Welt
verschickt. Häufig suchten uns Händler seltener Bücher auf; andere Besucher
waren eigentlich nicht willkommen. Aber dieses Zimmer hat mein Vater nie
wieder benutzt, nicht seit dem Tod meiner Mutter.«
    Vielleicht
war es ja nur das Produkt meiner überbordenden Fantasie, aber ich war mir
sicher, dass ich den Ruß riechen konnte, der sich aus dem alten Mörtel den Weg
durch die neuen Wände und die frische Farbe bahnte. Und da war auch ein
Geräusch, das ich nicht einordnen konnte; ein Klopfen, das ich unter normalen
Umständen nicht wahrgenommen hätte, während es sich mir in diesem merkwürdigen
und stillen Haus regelrecht aufdrängte. Ich sah zu Percy hinüber, die hinter
einen alten Ledersessel mit Knopfpolsterung getreten war, aber falls sie es
auch hörte, ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken. »Mein Vater war ein
leidenschaftlicher Briefeschreiber«, sagte sie, den Blick auf einen
Schreibtisch in der Fensternische gerichtet, »meine Schwester Saffy
ebenfalls.« »Und Sie nicht?«
    Ein
schmallippiges Lächeln. »Ich habe in meinem Leben nur wenige Briefe
geschrieben; nur dann, wenn es absolut unumgänglich war.«
    Die
Antwort überraschte mich, und vielleicht verriet mich mein Gesichtsausdruck,
denn sie wartete mit einer Erklärung auf.
    »Das
geschriebene Wort war nie meine Stärke. In einer Familie von Schriftstellern
sollte man seine Unzulänglichkeiten erkennen. Misslungene Versuche wurden nicht
akzeptiert. Mein Vater und seine beiden überlebenden Brüder tauschten, als wir
noch jung waren, formvollendete Briefe aus, die er uns abends vorlas. Er
erwartete von einem Text einen hohen Unterhaltungswert und hielt nicht mit
seiner Meinung hinter dem Berg, wenn das Geschriebene seinen Ansprüchen nicht
genügte. Die Erfindung des Telefons hat ihn zutiefst deprimiert. Er machte es
für viele Übel dieser Welt verantwortlich.«
    Wieder war
das Klopfen zu vernehmen, diesmal lauter, ein Hinweis, dass sich irgendwo etwas
bewegte. Wie Wind, der durch Ritzen fuhr und Sandkörner vor sich her trieb, nur
irgendwie schwerer. Und es kam von oben, da war ich mir sicher.
    Ich
betrachtete die Zimmerdecke; eine schwache Glühbirne hing von einer verstaubten
Rosette herab, daneben war ein gezackter Riss im Putz zu sehen. Plötzlich
hatte ich das Gefühl, die Geräusche könnten die letzte Warnung sein, dass die
Decke unmittelbar vor dem Einsturz stand. »Dieses Geräusch ...«
    »Ach,
beachten Sie es einfach nicht«, sagte Percy Blythe und winkte mit ihrer dürren
Hand ab. »Das sind bloß die Hausgeister, die in den Adern des Gemäuers
spielen.«
    Ich
schätze, ich habe ziemlich konsterniert dreingeblickt, jedenfalls fühlte ich
mich so.
    »Sie sind
das bestgehütete Geheimnis in einem alten Haus wie diesem.«
    »Die
Hausgeister?«
    »Die
Adern.« Sie legte stirnrunzelnd den Kopf in den Nacken und ließ den Blick am
Stuck entlangwandern, als folgte sie mit den Augen etwas, das ich nicht sehen
konnte. Als sie weitersprach, klang ihre Stimme verändert. Ihre
Unerschütterlichkeit hatte einen winzigen Riss bekommen, und einen Augenblick
lang hatte ich das Gefühl, ich würde sie erst jetzt richtig sehen und hören.
»In einem Schrank in einem

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