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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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Junipers Verlobtem zu tun hatte, mit
Thomas Cavill. Wenn das so war und wenn die Wahrheit wirklich so grausam
aussah, wie Juniper angedeutet hatte, könnte der Brief Vorwürfe enthalten
haben. War es das? Waren es unterdrückte Schuldgefühle, die meine Mutter zum
Weinen gebracht hatten?
    Zum ersten
Mal seit meiner Ankunft in Milderhurst wollte ich nur noch raus aus diesem Haus
und seinem alten Kummer, wollte die Sonne sehen und den Wind im Gesicht spüren
und etwas anderes riechen als faulen Schlamm und Mottenkugeln. Wollte allein
sein mit diesem neuen Rätsel, damit ich anfangen konnte, es zu entwirren.
    »Ich
hoffe, sie hat Sie nicht belästigt ...« Saffy redete immer noch. Ich hörte sie
durch mein Gedankengewirr wie aus weiter Ferne, wie von jenseits einer schweren
Tür. »Was auch immer sie gesagt hat, sie hat es nicht so gemeint. Sie sagt
manchmal seltsame Dinge, redet sinnloses Zeug ...«
    Sie ließ
den Satz unvollendet, aber die Stille, die darauf folgte, war angespannt. Sie
beobachtete mich, in ihrem Blick lagen unausgesprochene Gefühle, und ich
spürte, dass es nicht nur Besorgnis war, was sie bedrückte. In ihren Zügen
verbarg sich noch etwas anderes, vor allem, als sie wieder zu Percy hinübersah.
Angst, schoss es mir durch den Kopf. Sie hatten Angst, alle beide.
    Ich
schaute Juniper an, die sich hinter ihren verschränkten Armen verschanzt hatte.
Bildete ich mir das ein, oder stand sie wirklich besonders still, gespannt
darauf, was ich antworten, was ich ihnen sagen würde?
    Ich rang
mir ein Lächeln ab und hoffte inständig, dass es lässig wirkte. »Sie hat gar
nichts gesagt.« Für alle Fälle zuckte ich auch noch die Schultern. »Ich habe
nur ihr schönes Kleid bewundert.«
    Die
Erleichterung der Schwestern war spürbar. Junipers Profil zeigte keine
Veränderung, und mich beschlich ein seltsames Gefühl, eine Ahnung, dass ich
einen Fehler gemacht hatte. Dass ich hätte ehrlich sein, den Zwillingen alles
erzählen sollen, was Juniper gesagt hatte, was der Grund für ihre Erregung war.
Aber da ich bisher immer noch nichts von meiner Mutter und ihrer Evakuierung
erwähnt hatte, wusste ich nicht, wie ich die richtigen Worte finden sollte ...
    »Marilyn
Bird ist da«, sagte Percy unvermittelt.
    »Gott,
dass aber auch immer alles gleichzeitig kommen muss«, bemerkte Saffy.
    »Sie nimmt
Sie mit zurück zur Pension. Sie sagt, Sie müssen nach London zurück.«
    »Ja«,
sagte ich. Gott sei Dank.
    »Wie
schade«, sagte Saffy. Mit eiserner Disziplin und, so nehme ich an, jahrelanger
Übung gelang es ihr, vollkommen normal zu klingen. »Wir hätten Sie gern noch
zum Tee eingeladen. Wir bekommen so selten Besuch.«
    »Nächstes
Mal«, sagte Percy.
    »Ja«,
pflichtete Saffy ihr bei. »Nächstes Mal.«
    Was mir,
gelinde gesagt, äußerst unwahrscheinlich erschien. »Nochmals vielen Dank für
die Führung ...«
    Als Percy
mich auf verschlungenen Wegen zu Mrs. Bird und zurück in eine Welt der
Normalität führte, zogen Saffy und Juniper sich in die entgegengesetzte
Richtung zurück. Ihre Stimmen hallten von den kühlen Wänden wider.
    »Tut mir
leid, Saffy. Es tut mir so leid, so leid. Ich habe einfach ... ich hatte
vergessen ...« Die Worte gingen in Schluchzen über. Ein Weinen, so bitterlich,
dass ich mir am liebsten die Ohren zugehalten hätte.
    »Komm,
Liebes, es ist alles gut.«
    »Ich habe
etwas Schreckliches getan, Saffy! Etwas ganz, ganz Schreckliches.«
    »Unsinn,
meine Kleine, denk nicht mehr dran. Wir trinken jetzt schön unseren Tee,
einverstanden?« Die Geduld, die Liebenswürdigkeit in Saffys Stimme legten sich
wie Blei auf meine Brust. Ich glaube, in diesem Augenblick wurde mir zum ersten
Mal klar, wie unendlich lange sie und Percy schon solche Beschwichtigungen
aussprachen, um ihre verwirrte kleine Schwester zu beruhigen, so
verständnisvoll, wie Eltern die Ängste eines Kinds zu zerstreuen suchen,
allerdings ohne die Hoffnung, dass ihnen die Last irgendwann genommen werden
würde. »Jetzt ziehen wir dir erst einmal etwas Bequemes an, und dann trinken
wir Tee. Du und Percy und ich. Nach einer Tasse gutem, starken Tee sieht die
Welt gleich wieder ganz anders aus.«
    Mrs. Bird
wartete unter dem Kuppeldach in der Eingangshalle und sprudelte über vor
Entschuldigungen. Unter theatralischen Gebärden biederte sie sich bei Percy
Blythe an, indem sie über die armen Dörfler herzog, die sie mit ihrer
umständlichen Art aufgehalten hätten.
    »Es ist
schon gut, Mrs. Bird«, sagte Percy in dem

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