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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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die Bombenangriffe wieder
losgehen?«
    »Nein, das
glaube ich nicht. Adolf Hitler ist viel zu sehr damit beschäftigt, in den
Winter zu marschieren, als sich um uns zu kümmern. Das sagt Percy jedenfalls.
Sie meint, dass wir mindestens bis Weihnachten nichts zu befürchten haben; sie
ist furchtbar enttäuscht.« Saffy, die immer noch in dem Fischbrei rührte, hatte
gerade Luft geholt, um fortzufahren, als sie sah, dass Lucy an den Herd
getreten war. Die Haushälterin sah nicht so aus, als würde sie ihr noch
zuhören, und auf einmal kam Saffy sich so albern vor wie ihre Hühner, wenn sie
Lust hatten zu gackern und niemand zuhörte außer dem Gartentor. Nach einem
verlegenen Hüsteln sagte sie: »Ach, ich plappere nur dummes Zeug. Du bist
bestimmt nicht in die Küche gekommen, um dir Geschichten über die Hühner
anzuhören, und ich halte dich nur von der Arbeit ab.«
    »Ganz und
gar nicht.« Lucy schloss die Ofenklappe und richtete sich auf. Ihre Wangen
waren gerötet, woran nicht nur die Ofenhitze schuld war. Offenbar hatte sie
sich das Unbehagen der Haushälterin nicht eingebildet, dachte Saffy.
Irgendetwas, was sie gesagt oder getan hatte, hatte Lucy die Laune verdorben,
und das war ihr sehr unangenehm. »Ich bin gekommen, um nach der
Kaninchenpastete zu sehen«, sagte Lucy, »was ich jetzt getan habe, und um Ihnen
zu sagen, dass ich den silbernen Vorlegelöffel, den Sie heute Abend benutzen
wollten, nicht gefunden habe, aber ich habe einen anderen auf den Tisch
gelegt, der ebenso gut ist. Außerdem habe ich ein paar von den Schallplatten
mit heruntergebracht, die Miss Juniper aus London geschickt hat.«
    »Hast du
sie in den blauen Salon gebracht?«
    »Selbstverständlich.«
    »Perfekt.«
Der blaue Salon war das gute Zimmer, und deswegen würden sie Mr. Cavill dort
empfangen. Percy war dagegen gewesen, aber das war nicht anders zu erwarten.
Sie war seit Wochen schlecht gelaunt, stampfte durch die Flure, prophezeite
Schreckensszenarien für den kommenden Winter, murrte über den Brennstoffmangel
und schimpfte über die Extravaganz, ein weiteres Zimmer zu heizen, wo doch der
gelbe Salon täglich geheizt wurde. Aber sie würde sich schon wieder beruhigen,
wie immer. Entschlossen klopfte Saffy mit der Gabel auf den Schüsselrand.
    »Die Soße
ist sehr gut geworden. Schön dick und cremig, auch ohne Milch.« Lucy lugte
gerade unter den Deckel der Kasserolle.
    »Ach,
Lucy, du bist ein Schatz. Ich habe sie schließlich mit Wasser gemacht und ein
bisschen Honig zum Süßen zugegeben, um den Zucker für Marmelade aufzuheben.
Ich hätte nie gedacht, dass ich dem Krieg einmal für etwas dankbar sein würde,
aber ohne ihn hätte ich nie gelernt, wie man eine perfekte milchfreie Soße
herstellt!«
    »In London
wären Ihnen einige Leute dankbar für das Rezept. Meine Kusine schreibt, dass
sie dort neuerdings nur noch einen Liter Milch pro Woche bekommen. Können Sie
sich das vorstellen? Sie sollten Ihr Soßenrezept aufschreiben und an den Daily Telegraph schicken. Die drucken so etwas.«
    »Ach, das
wusste ich gar nicht«, sagte Saffy nachdenklich. Es wäre eine weitere
Veröffentlichung in ihrer kleinen Sammlung. Keine besonders bedeutende, aber
immerhin. Alles würde von Nutzen sein, wenn sie so weit war und ihr Manuskript
abschickte, und wer konnte schon sagen, was sich daraus noch alles ergeben
würde? Eine regelmäßige kleine Kolumne zu schreiben wäre gar nicht so übel.
»Saffys Nähkästchen - Nützliche Ratschläge im Alltag« oder so ähnlich, eine
kleine Vignette in der Ecke — ihre Singer 201K, oder noch besser: eine von ihren Hennen! Sie lächelte, so
zufrieden und vergnügt über ihre Fantasie, als wäre sie bereits Realität.
    Lucy
erzählte derweil immer noch von ihrer Kusine in Pimlico und von dem einzigen
Ei, das sie dort alle vierzehn Tage zugeteilt bekamen. »Vergangene Woche hat
sie eins bekommen, das faul war, man denke nur! Und man hat ihr kein neues
dafür gegeben.«
    »Also, das
ist wirklich eine Schande!«, rief Saffy entgeistert aus. In ihrer Kolumne würde
sie eine Menge zu sagen haben zu diesen Themen, und sie würde nicht mit klugen
Gegenvorschlagen geizen. »Du musst ihr ein paar von meinen Eiern schicken.
Und nimm auch gleich ein halbes Dutzend für dich selbst.«
    Lucy
schaute sie so dankbar an, als hätte sie ihr Goldklumpen geschenkt. Saffy
wurde auf einmal ganz verlegen und verscheuchte hastig das Bild von ihrer
Doppelgängerin bei der Zeitung. Beinahe entschuldigend sagte sie: »Wir

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