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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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zu beiden Seiten ausbreiteten. Zu ihrer
Linken lag das Bauernhaus mit seinen Malzdarren, dahinter die Mühle und rechts
etwas weiter entfernt der Wald. Die Erinnerungen an tausend Kindertage
verbargen sich in den Bäumen des Cardarker-Walds und blinzelten ihr aus dem
kühlen Schatten zu. Wie herrlich Furcht einflößend es doch gewesen war, sich
vor den weißen Sklavenjägern zu verstecken, wie aufregend, Drachenknochen
auszubuddeln und mit dem Vater auf der Suche nach uralten römischen Straßen das
Gelände zu durchstreifen ...
    Die
Zufahrt war nicht besonders steil, und Percy schob ihr Fahrrad nicht aus Mangel
an Kraft, sondern weil sie es genoss, zu Fuß zu gehen. Ihr Vater war auch ein
begeisterter Wanderer gewesen, vor allem seit dem Ende des Ersten Weltkriegs.
Bevor er das Buch veröffentlicht hatte, bevor er nach London gegangen war und
sie hier allein zurückgelassen hatte, bevor er Odette kennengelernt und geheiratet
und nie wieder ganz ihnen gehört hatte. Der Arzt hatte ihm gesagt, ein
täglicher Spaziergang täte seinem Bein gut, und er hatte angefangen, mit dem
Stock, den Mr. Morris nach einem Besuch mit ihrer Großmutter vergessen hatte,
durch die Wiesen und Felder zu wandern. »Seht ihr, wie die Spitze bei jedem
Schritt nach vorne schwingt?«, hatte er gefragt, als sie eines Nachmittags im
Herbst zusammen am Bach entlanggegangen waren. »So muss es sein. Robust und
zuverlässig. Der Stock ist eine Erinnerung.«
    »Woran,
Daddy?«
    Stirnrunzelnd
hatte er das schlammige Ufer betrachtet, als läge die Antwort zwischen dem
Schilf verborgen. »Nun ja ... daran, dass ich auch robust bin.«
    Damals
hatte sie nicht verstanden, was er meinte, sondern nur angenommen, dass das Gewicht
des Stocks ihm Freude bereitete. Jedenfalls hatte sie nicht nachgehakt. Percys
Position als Wandergefährtin war unsicher, und die mit dieser Rolle verbundenen
Regeln waren streng. Das Wandern war, laut Raymond Blythes Doktrin, eine Zeit
der Kontemplation und in seltenen Fällen, wenn beide Beteiligten dafür
empfänglich waren, eine Zeit für Gespräche über die Geschichte oder die Poesie
oder die Natur. Plappermäuler wurden nicht geduldet, und wer das Etikett einmal
bekommen hatte, wurde es nie wieder los, wie die arme Saffy zu ihrem großen
Kummer hatte erfahren müssen. Viele Male schon hatte Percy sich zum Schloss
umgedreht, wenn sie sich mit ihrem Vater auf Wanderschaft begab, und Saffy
missmutig am Kinderzimmerfenster stehen sehen. Ihre Schwester hatte ihr jedes
Mal leidgetan, aber nie genug, um bei ihr zu bleiben. Sie fand, es war ein
gerechter Ausgleich zu den zahllosen Situationen, in denen Saffy die volle
Aufmerksamkeit ihres Vaters genoss und ihm sogar hin und wieder ein Lächeln
entlockte, wenn sie ihm die lustigen kleinen Geschichten vorlas, die sie immer
schrieb. Und es war eine Entschädigung für die Monate, die ihr Vater mit Saffy
allein verbracht hatte, nachdem er aus dem Krieg zurückgekehrt war und man
Percy mit Scharlach ins Krankenhaus gebracht hatte ...
    An der
ersten Brücke blieb Percy stehen und lehnte ihr Fahrrad ans Geländer. Von hier
aus konnte sie das Haus nicht sehen, noch nicht; es wurde von dem umgebenden
Wald verdeckt und würde erst zu sehen sein, wenn sie die zweite, kleinere
Brücke erreichte. Sie beugte sich über das Geländer und betrachtete den
seichten Bach unter sich. Dort, wo die Ufer weiter auseinandertraten, bildete
das Wasser kleine Strudel, flüsterte und zögerte auf dem Weg in den Wald.
Percys Spiegelbild, das sich dunkel gegen den weißen Himmel abhob, waberte in
der glatten Oberfläche in der Mitte des Bachs.
    Auf der
anderen Seite lag das Hopfenfeld, wo sie ihre erste Zigarette geraucht hatte.
Saffy und sie hatten sich weggeschlichen und sich kichernd über das Zigarettenetui
hergemacht, das sie einem der wichtigtuerischen Freunde ihres Vaters geklaut
hatten, während der sich an einem brütend heißen Sommertag am Seeufer die
fleischigen Knöchel von der Sonne rösten ließ.
    Eine
Zigarette ...
    Percy
fasste an ihre Brusttasche, spürte das feste Röhrchen an den Fingerspitzen. Wo
sie sich das verdammte Ding schon gedreht hatte, sollte sie es auch genießen,
oder? Wenn sie erst einmal in den Trubel im Haus eingetaucht war, würde sie bestimmt
keine Gelegenheit mehr dazu finden.
    Sie drehte
sich um, lehnte sich gegen das Geländer, riss ein Streichholz an, inhalierte
tief und behielt den Rauch einen Moment in der Lunge, ehe sie ihn ausatmete.
Gott, wie sie das Rauchen genoss.

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