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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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ein Ort, ein Charaktertyp und ein Wort
vorgegeben, die größte Eieruhr aus der Küche umgedreht, und dann ging es
darum, die beste Geschichte zu erfinden.
    Percy, die
zwar klug, aber nicht geistreich war, die lieber zuhörte als erzählte, die
langsam und sorgfältig schrieb, wenn sie nervös war, und sich extrem gestelzt
ausdrückte, hatte diese Abende gefürchtet und verabscheut, bis sie im Alter von
zwölf Jahren zufällig entdeckt hatte, dass dem offiziellen Punktezähler
Nachsicht gewährt wurde. Während Emily und Saffy - deren innige Zuneigung
füreinander ihre Konkurrenz noch anfeuerte - über ihren Texten schwitzten, die
Stirn in Falten legten, sich auf die Lippen bissen, die Bleistifte über die
Seiten fliegen ließen und um Daddys Lob wetteiferten, blickte Percy gelassen
dem Vergnügen entgegen. Im schriftlichen Ausdruck waren die Kusinen einander
ebenbürtig; Saffy besaß vielleicht einen etwas größeren Wortschatz, Emily war
jedoch aufgrund ihres schelmischen Humors eindeutig im Vorteil, und eine Zeit
lang war es offensichtlich, dass der Vater das Familientalent vor allem in ihr
heranreifen sah. Das war natürlich, bevor Juniper geboren wurde, die mit ihrer
frühreifen Begabung die bisherige Ordnung über den Haufen warf.
    Falls
Emily den Kälteschauer gespürt hatte, als Raymond Blythe ihr seine
Aufmerksamkeit entzog, so erholte sie sich immerhin schnell davon. Über viele
Jahre hinweg kam sie weiterhin fröhlich jeden Sommer zu Besuch, lange über die
Kindheit hinaus, bis zu jenem Sommer 1925, dem
letzten, bevor sie heiratete und alles endete. Emily hatte das große Glück, so
glaubte Percy, dass sie zwar talentiert war, aber nie die labile Gemütsverfassung
einer Künstlerin gehabt hatte. Sie war viel zu ausgeglichen, zu sportlich, zu
gesellig und liebenswürdig, um den Weg der Schriftstellerin einzuschlagen.
Nicht die Spur einer Neurose. Das Schicksal, das ihr beschieden war, nachdem
ihr Onkel das Interesse an ihr verloren hatte, war viel besser für sie: ein anständiger
Ehemann, eine Schar sommersprossiger Söhne, eine Villa mit Blick aufs Meer und
jetzt, wie aus ihrem Brief hervorging, auch noch zwei verliebte Schweine. Der
ganze Brief enthielt eigentlich nur eine Sammlung von Anekdoten aus ihrem Dorf
in Devon, Neuigkeiten über ihren Mann und ihre Jungs, über die Abenteuer der
örtlichen Zivilschutztruppe und die Begeisterung ihrer alten Nachbarin für ihre
Spritzpumpe, und doch hatte Percy beim Lesen herzlich lachen müssen. Sie
lächelte immer noch, als sie den Brief wieder zusammenfaltete und in den
Umschlag zurücksteckte.
    Dann
zerriss sie ihn einmal längs und einmal quer, stopfte ihn tief in die
Hosentasche und setzte ihren Weg zum Haus fort. Sie nahm sich vor, die
Schnipsel in den Papierkorb zu werfen, bevor ihre Uniform in die Wäsche
wanderte. Oder noch besser, sie würde sie noch an diesem Nachmittag verbrennen,
ohne dass Saffy es mitbekam.
     
    4
     
    Dass Juniper, die einzige Blythe, die ihre Kindheit nicht im
Kinderzimmer verbracht hatte, am Morgen ihres dreizehnten Geburtstags aufstand,
ein paar Gegenstände, die ihr lieb und teuer waren, in einen Kissenbezug
stopfte und dann schnurstracks nach oben marschierte, um ihren Platz im
Dachzimmer zu beanspruchen, hatte niemanden gewundert. Dieses Ereignis, das
völlig im Widerspruch zur Tradition im Schloss stand, passte so sehr zu der
Juniper, die sie alle kannten und liebten, dass die Episode, wenn in den
folgenden Jahren die Rede darauf kam, allen vollkommen selbstverständlich erschien
und sogar Diskussionen darüber entstanden, ob sie das alles womöglich im Voraus
geplant hatte. Juniper selbst äußerte sich kaum zu dem Thema, weder damals noch
später: Ihre ganze Kindheit über hatte sie in dem kleinen Nebenraum im ersten
Stock geschlafen, und an ihrem dreizehnten Geburtstag hatte sie das Zimmer im
Dachboden in Besitz genommen. Was sollte man noch dazu sagen?
    Aufschlussreicher
als Junipers Umzug ins Kinderzimmer, fand Saffy, war die eigenartige glanzvolle
Aura, die Juniper seitdem zu umgeben schien. Das Dachzimmer, ein Außenposten
des Schlosses, das Zimmer, in das Kinder traditionell verbannt wurden, bis sie
aufgrund eines bestimmten Alters oder bestimmter Eigenschaften der
Aufmerksamkeit der Erwachsenen für wert befunden wurden, ein Zimmer mit
niedriger Decke, voller Mäuse, eiskalt im Winter und brütend heiß im Sommer, an
dem alle Kaminschächte des Hauses vorbeiführten, schien plötzlich vor Leben zu
summen. Leute, die

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