Morton, Kate
einer
Kopfbewegung deutete sie auf den Schraubenschlüssel, der auf dem Sims lag.
Saffys
Augen weiteten sich, als sie die nassen Flecken auf Percys Kleid entdeckte. »Es
ist ein ganz besonderes Abendessen, Perce. Juniper wird ...«
»... es
weder bemerken noch sich dafür interessieren«, beendete Percy den Satz für
sie. »Denk nicht über mein Kleid nach. Du siehst so schön aus, dass es für uns
beide reicht. Komm, setz dich. Ich mache uns einen Drink, während wir warten.«
8
Da weder
Juniper noch ihr Gast eingetroffen waren, wäre Saffy am liebsten wieder nach unten gelaufen, um den
zerrissenen Brief zusammenzusetzen und Percys Geheimnis auf die Spur zu kommen.
Ihre Zwillingsschwester in einer derart versöhnlichen Stimmung vorzufinden war
jedoch eine unerwartete Wohltat, und sie wollte sie nicht enttäuschen. Nicht
an diesem Abend, nicht jetzt, wo Juniper und ihr besonderer Gast jeden
Augenblick eintreffen konnten. In Anbetracht dessen war es zudem ratsam, sich
möglichst in der Nähe der Haustür aufzuhalten, denn so bestand die Chance, dass
sie Juniper kurz unter vier Augen würde sprechen können. »Danke«, sagte sie,
nahm das Glas entgegen, das Percy ihr hinhielt, und trank einen ordentlichen
Schluck, um ihren guten Willen zu demonstrieren.
»Und?«,
sagte Percy und lehnte sich wieder an den Grammofonschrank. »Wie war dein
Tag?«
Kurioser
und kurioser, wie Alice im Wunderland sagen würde. Normalerweise hatte Percy
nichts übrig für zwangloses Geplauder. Saffy trank einen Schluck, um Zeit zu
gewinnen. Sie würde sich extrem vorsehen müssen. Mit einer wegwerfenden
Handbewegung sagte sie: »Ach, ganz gut. Allerdings bin ich gestürzt, als ich
mir meine Unterwäsche angezogen habe.«
»Nein!«
Percy musste schallend lachen.
»Doch. Ich
habe sogar einen blauen Fleck, der es beweist. Der wird wohl alle
Regenbogenfarben annehmen, bis er weg ist.« Saffy berührte vorsichtig ihren
Hintern und verlagerte ihr Gewicht auf der Chaiselongue. »Ich schätze, das
bedeutet, dass ich allmählich alt werde.«
»Unmöglich.«
»Ach?«
Saffy sah geradezu dankbar auf. »Wie meinst du das?« »Ganz einfach. Ich bin
zuerst geboren, also werde ich immer die Ältere von uns beiden sein.« »Ja,
gewiss, aber ...«
»Und ich
kann dir versichern, dass ich beim Anziehen noch nie mein Gleichgewicht
verloren habe. Nicht mal bei Bombenalarm.«
»Hmm ...«
Saffy runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich verstehe, was du meinst. Wollen
wir also mein Missgeschick einem dummen Zufall zuschreiben, der nichts mit dem
Alter zu tun hat?«
»Das
werden wir wohl müssen; alles andere würde bedeuten, dass wir das Drehbuch
unseres eigenen Abgangs schreiben.« Das war einer der Lieblingssprüche ihres
Vaters gewesen, und sie mussten beide lächeln. »Tut mir leid«, fuhr Percy fort,
»dass ich eben auf der Treppe so unausstehlich war.« Sie riss ein Streichholz
an und zündete sich eine Zigarette an. »Ich wollte keinen Streit vom Zaun
brechen.«
»Sagen wir
einfach, der Krieg ist schuld, einverstanden?«, sagte Saffy und wandte sich ab,
um der Rauchwolke zu entgehen. »Das tun alle anderen auch. Erzähl - was gibt's
Neues aus der großen, weiten Welt?«
»Nicht
viel. Lord Beaverbrook redet von Panzern für die Russen, im ganzen Dorf ist
kein Fisch aufzutreiben, und anscheinend ist Mrs. Caraways Tochter schwanger.«
Saffy
schnappte aufgeregt nach Luft. »Nein!«
»Doch.«
»Aber sie
ist doch erst - wie alt? Fünfzehn?« »Vierzehn.«
Saffy
beugte sich vor. »Ein Soldat?« »Ein Pilot.«
»Ach du
je.« Sie schüttelte wie benommen den Kopf. »Und Mrs. Caraway, immer die Tugend
in Person. Wie schrecklich.« Saffy entging nicht, dass Percy, Zigarette im
Mundwinkel, grinste, als hätte sie ihre Schwester im Verdacht, sich an Mrs.
Caraways Unglück zu weiden. Was tatsächlich zutraf, wenn auch nur ein bisschen
und nur, weil die Frau so eine unverbesserliche Besserwisserin war, die an
allem und jedem etwas auszusetzen hatte, sogar an Saffys Näharbeiten, was sich
bis zum Schloss herumgesprochen hatte. »Was denn?«, sagte sie errötend. »Es
ist wirklich schrecklich.«
»Aber
nicht überraschend«, sagte Percy, während sie die Asche abklopfte. »Die jungen
Mädchen von heute haben doch keine Moral.«
»Seit dem
Krieg ist alles anders«, pflichtete Saffy ihr bei. »Das sieht man schon an den
Leserbriefen. Junge Frauen, die sich herumtreiben, während ihre Männer im Krieg
sind, und uneheliche Kinder in die Welt setzen. Und
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