Morton, Kate
die anderen können es nicht
erwarten, kaum dass sie einen Mann kennenlernen, ihn zum Traualtar zu schleppen.«
»Aber
unsere Juniper nicht.«
Saffy
fröstelte. Sie hatte es sich ja gedacht: Percy wusste Bescheid. Irgendwie
hatte sie von Junipers Liebesaffäre erfahren. Das erklärte ihre plötzliche gute
Laune; sie hatte sich vorgenommen, auf den Busch zu klopfen, sie hatte den
Dorfklatsch wie einen Köder ausgeworfen, und Saffy war drauf reingefallen.
Gott, wie demütigend. »Natürlich nicht«, sagte sie so gelassen, wie sie konnte.
»Juniper ist nicht so eine.«
»Selbstverständlich
nicht.« Eine Weile saßen sie schweigend da und schauten einander an, das
gleiche Lächeln in ihren so gleichen Gesichtern, und nippten an ihrem Whisky.
Saffys Herz klopfte lauter, als Vaters Lieblingsuhr tickte, und sie fürchtete
schon, dass Percy es hören konnte; jetzt wusste sie, wie ein Insekt sich
fühlte, das in ein Spinnennetz geraten war und auf die große Spinne wartete.
»Allerdings«, sagte Percy und schnippte ihre Asche in den Kristallaschenbecher,
»ist mir heute etwas Merkwürdiges zu Ohren gekommen. Im Dorf.«
»Ach?«
»Ja.«
Ein verlegenes
Schweigen breitete sich aus, während Percy rauchte und Saffy sich auf die Zunge
biss. Wie unerträglich das war, noch dazu hinterhältig: Ihre eigene
Zwillingsschwester nutzte ihre Vorliebe für Dorfklatsch aus, um sie auf diese
Weise in Versuchung zu bringen, ihre Geheimnisse auszuplaudern. Aber das würde
sie nicht mit sich machen lassen. Was interessierte sie Percys Dorfklatsch
überhaupt? Sie kannte die Wahrheit bereits, schließlich hatte sie Junipers
Tagebuch gelesen, und sie würde sich durch keine List dazu verleiten lassen,
Percy davon zu erzählen.
Mit
demonstrativer Entschlossenheit stand Saffy auf, strich ihr Kleid glatt und
begann, die Messer und Gabeln auf dem gedeckten Tisch mit großer Sorgfalt
auszurichten. Sie brachte es sogar fertig, leise vor sich hin zu summen und ein
harmloses Lächeln aufzusetzen. Was irgendwie tröstlich war, wenn die Zweifel
aus den Schatten gekrochen kamen.
Dass
Juniper einen Liebhaber hatte, war allerdings überraschend, und es hatte Saffy
getroffen, nichts davon gewusst zu haben, aber die Tatsache an sich änderte
nichts. Oder? Jedenfalls nichts, was Percy wichtig war, nichts, was von
Bedeutung war. Es konnte doch bestimmt nichts Schlimmes passieren, wenn Saffy
die Neuigkeit für sich behielt. Juniper hatte eben einen Liebhaber, das war
alles. Sie war eine junge Frau, das war etwas ganz Natürliches; eine Bagatelle
und sicherlich nichts von Dauer. Wie alles, was Junipers Begeisterung weckte,
würde auch dieser Mann bald seine Faszination verlieren, würde verblassen und
schließlich von einer neuen Laune davongeweht werden.
Der Wind
draußen war stärker geworden, und die Klauen des Kirschbaums kratzten an dem
losen Fensterladen. Saffy schüttelte sich, obwohl ihr nicht kalt war; ihre
minimale Bewegung wurde vom Spiegel über dem Kamin eingefangen, sie hob den
Kopf und blickte in ihr eigenes Gesicht. Es war ein prächtiger Spiegel, mit
einem vergoldeten Rahmen, und er hing an einer schweren Kette von der hohen
Decke. Deswegen war er leicht nach vorn geneigt, sodass es, als Saffy aufsah,
den Anschein hatte, als würde er sie von oben herab zornig anblicken und zu
einem dicken, grünen Zwerg schrumpfen lassen. Ein Seufzer entfuhr ihr
unwillkürlich. Sie fühlte sich hilflos, sie war es leid, sich zu verstellen.
Sie wollte sich gerade abwenden und wieder auf den Tisch konzentrieren, als sie
im Spiegel Percy entdeckte, die rauchend in der Ecke hockte und den grünen
Zwerg in der Mitte beobachtete. Nicht einfach nur beobachtete, sondern
musterte. Sie suchte nach Indizien, nach der Bestätigung für einen Verdacht,
den sie bereits hatte.
Das
Wissen, dass sie beobachtet wurde, ließ Saffys Puls schneller schlagen, und
plötzlich verspürte sie das dringende Bedürfnis, etwas zu sagen, den Raum mit
Gespräch zu füllen, mit Geräuschen. Sie atmete kurz ein. »Juniper ist natürlich
spät dran, und das sollte uns nicht wundern; wahrscheinlich ist das Wetter
schuld, irgendetwas wird sie unterwegs aufgehalten haben; sie hätte um Viertel
vor sechs ankommen sollen, und selbst wenn der Bus aus dem Dorf nicht immer
pünktlich fährt, müsste sie eigentlich inzwischen hier sein ... Ich hoffe bloß,
sie hat einen Schirm dabei, aber du weißt ja, wie sie in solchen Dingen ist
...«
»Juniper
ist verlobt«, fiel Percy ihr barsch ins Wort.
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