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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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werden. Iskander Altaïrski war ein glanzvoller Offizier der kaiserlichen Leibgarde, ältester Sohn eines kaukasischen Herrschers, dessen Khanat unter Jermolow 2 dem russischen Reich angegliedert worden waren. Er warf mit Geld um sich, umwarb sie sehr phantasievoll, sah trotz seiner frühen Kahlköpfigkeit nicht übel aus und war zudem asiatisch heißblütig und redegewandt. Er war bereit, für die Liebe alles zu opfern – und hielt Wort. Als seine Vorgesetzten ihm die Zustimmung zur Heirat verweigerten, quittierte er den Dienst und beendete damit seine militärische Karriere. Er verdarb es sich mit seinem Vater und verzichtete zugunsten seines jüngeren Bruders auf sein Erbrecht: Eine Schauspielerin, noch dazu eine geschiedene, konnte nicht die Frau eines Thronfolgers werden. Allerdings wurde dem Abtrünnigen ein stattlicher jährlicher Unterhalt zugebilligt. Das Wichtigste aber war, dass Iskander schwor, ihrer Bühnenkarriere nicht im Wege zustehen, und mit einer kinderlosen Ehe einverstanden war. Was konnte sie sich mehr wünschen? Ihre Rivalinnen platzten schier vor Neid. Lida Jaworskaja, verheiratete Fürstin Barjatinskaja, verließ sogar Russland – Fürstinnen gab es in Petersburg wie Sand am Meer, aber nur eine einzige Khans-Gemahlin.
     
    Die zweite Ehe scheiterte noch rascher als die erste – gleich nach der Hochzeit und der Hochzeitsnacht. Nicht, weil sich der Gatte aufgrund seiner übermäßigen Erregung nicht angemessen verhalten konnte (das war eher rührend), sondern wegen der Bedingungen, die er ihr am nächsten Morgen offerierte. Der Status der Gemahlin von Khan Altaïrski verpflichte, verkündete Iskander streng. Ich habe versprochen, Ihrer Leidenschaft für das Theater nicht im Wege zu stehen, und werde mein Wort halten, aber Sie müssen Stücke meiden, in denen Sie einen Mann umarmen oder gar küssen müssen.
    Elisa lachte, sie glaubte, er scherze. Als sich herausstellte, dass er es vollkommen ernst meinte, versuchte sie lange, ihn zur Vernunft zu brinden. Sie erklärte ihm, dass es im Rollenfach der Jugendlichen Heldin unmöglich ohne Umarmungen und Küsse abging; mehr noch, es käme gerade in Mode, den Akt des fleischlichen Triumphs recht offen zu zeigen.
    »Was für ein Triumph?«, fragte der Orientale mit einer Miene, die Elisa deutlich sagte: Erklärungen waren sinnlos.
    »Der, den Sie nicht zustande gebracht haben!«, schrie sie, die großartige Shemtschushnikowa in der Rolle der Marfa Possadniza 3 imitierend. »Und nun auch nicht mehr zustande bringen werden! Leben Sie wohl, Euer Hoheit, der Honigmond ist beendet! Die Hochzeitsreise fällt aus. Ich lasse mich scheiden!«
    Mit Grauen erinnerte sie sich, was danach geschah. Der Sprossdes uralten Herrschergeschlechts, ein direkter Nachkomme Dshingis Khans, sank so weit herab, dass er handgreiflich wurde und fluchte wie auf dem Kasernenhof, dann stürzte er zum Schreibtisch, um den Revolver aus der Schublade zu nehmen und die Beleidigerin auf der Stelle zu erschießen. Während er mit dem Schlüssel hantierte, floh die erschrockene Elisa natürlich und traf sich fortan mit dem verrückten Dshingis-Nachfahren nur noch im Beisein von Anwälten.
    Vor Zeugen benahm sich Iskander zivilisiert. Er erklärte höflich, er würde niemals in eine Scheidung einwilligen, denn das gelte in seiner Familie als furchtbare Sünde, und sein Vater würde ihm den Unterhalt entziehen. Gegen ein Getrenntleben erhob er keine Einwände, erklärte sich sogar bereit, seiner Gattin, wenn diese »den Anstand wahrte«, Alimente zu zahlen (worauf Elisa voller Abscheu verzichtete – Gott sei Dank verdiente sie im Theater genug).
    Sein diktatorisches Wesen offenbarte der Khan, sobald sie zu zweit waren. Vermutlich ließ er seine Frau überwachen, denn er tauchte an den überraschendsten Orten auf, stets ohne Vorankündigung. Wie das Teufelchen aus der Flasche.
    »Ach, so ist das?«, sagte er, zornig mit den hervorquellenden Augen funkelnd, die sie einmal schön gefunden hatte. »Das Theater ist Ihnen wichtiger als meine Liebe? Wunderbar. Auf der Bühne können Sie sich benehmen wie eine Schlampe. Das ist Ihre Sache. Aber da Sie formal noch immer meine Frau sind, werde ich verhindern, dass Sie meinen Namen besudeln! Denken Sie daran, meine Dame: Liebhaber dürfen Sie nur im Rampenlicht und vor den Augen des Publikums haben. Jeder, den Sie in Ihr Bett lassen, wird sterben. Und danach sterben auch Sie!«
    Ehrlich gesagt erschreckte sie das anfangs nicht sehr. Im Gegenteil, es

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