Moskauer Diva
verlieh ihrem Leben Feuer. Bei Liebesszenen schaute sie heimlich in den Saal, und wenn sie auf den vernichtenden Blick ihres verlassenen Gatten stieß, spielte sie mit doppelter Leidenschaft.
Das ging so lange, bis sich der Impresario Furschtatski ernsthaft für sie interessierte. Ein stattlicher Mann mit gutem Geschmack, Besitzer des besten Kiewer Theaters. Er trug ihr ein Engagement in seiner Truppe an, zu unglaublich guten Bedingungen, überhäufte sie mit Blumen und Komplimenten, kitzelte ihr Ohr mit seinem üppigen, wohlriechenden Schnauzbart. Und machte ihr schließlich auch einen Heiratsantrag.
Sie war schon kurz davor, anzunehmen – und zwar das Engagement und den Heiratsantrag. Die ganze Theaterwelt sprach bereits davon, die Neiderinnen ärgerten sich erneut schwarz.
Und urplötzlich, bei einem Festessen, das der Aufsichtsrat der Theatergesellschaft für Furschtatski gab, starb dieser! Elisa selbst hatte an dem Bankett nicht teilgenommen, aber Augenzeugen schilderten ihr sehr anschaulich, wie der Agent krebsrot geworden war, keuchte und mit dem Gesicht in einen Teller Suppe fiel.
Elisa weinte natürlich den ganzen Abend. Sie bedauerte den armen Furschtatski und sagte sich: »Es hat eben nicht sollen sein« und Ähnliches. Doch dann klingelte das Telefon, und eine wohlbekannte Stimme sagte mit kaukasischem Akzent: »Ich habe Sie gewarnt. Diesen Tod haben Sie auf dem Gewissen.«
Selbst da nahm sie Iskander noch nicht ernst, er erschien ihr wie ein operettenhafter Bösewicht, der den Schnauzbart aufstellt und die Augen hervorquellen lässt, aber niemandem Furcht einflößt. In Gedanken nannte sie ihn Dshingis Khan.
Ach, wie grausam bestrafte das Schicksal sie für ihren Leichtsinn!
Drei Monate nach dem Tod des Impresarios, an dessen Natürlichkeit sie keinen Augenblick gezweifelt hatte, interessierte sich Elisa für einen anderen Mann, einen Heldentenor aus dem Mariinski-Theater. Hier spielten Karrieregedanken keine Rolle. Der Sänger war einfach schön (ihre ewige Schwäche für bildschöne Männer!) und besaß eine umwerfende Stimme, deren Klang ihrenganzen Körper süß erschlaffen ließ. Zu der Zeit hatte Elisa bereits ein Engagement bei der »Arche Noah«, führte aber ihre eigenen Programme noch weiter. Eines Tages trat sie zusammen mit einem Tenor (er hieß Astralow) in dem kleinen Zwei-Personen-Einakter »Rotbart« auf. Ein hübsches kleines Stück: Sie deklamierte und tanzte ein wenig, Astralow sang – und war so hinreißend, dass sie anschließend zusammen nach Strelnja 4 fuhren, und es geschah, was früher oder später geschehen musste. Warum auch nicht? Sie war eine erwachsene, freie, moderne Frau. Er war ein anziehender Mann, keine Geistesgröße, aber dafür sehr begabt und galant. Am nächsten Morgen verließ Elisa das Hotelzimmer, sie hatte um elf Probe, und ihr Liebhaber blieb. Er widmete sich immer sorgfältig seinem Äußeren und trug stets sein Necessaire bei sich. Es enthielt alles Notwendige für die Maniküre, allerlei Bürstchen, kleine Scheren und ein spiegelblankes Rasiermesser.
Mit diesem Rasiermesser in der Hand wurde er gefunden. Er saß tot im Sessel, das ganze Hemd voller Blut, ebenso der Bart. Die Polizei kam zu dem Schluss, der Tenor habe sich nach der mit einer Geliebten verbrachten Nacht vor dem Spiegel die Kehle durchgeschnitten. Elisa war verschleiert gewesen, die Hoteldiener hatten ihr Gesicht nicht gesehen, es gab also keinen Skandal.
Bei der Beerdigung schluchzte sie (es waren recht viele schluchzende Damen zugegen) und quälte sich mit bitteren Fragen: Was hatte sie nur getan oder gesagt?! Diese Tat sah dem Bonvivant Astralow so gar nicht ähnlich! Plötzlich entdeckte sie in der Menge Dshingis Khan. Er sah sie an, grinste und fuhr sich rasch mit dem Finger über die Kehle.
Erst jetzt sah Elisa klar ….
Mord! Es war Mord! Sogar zwei Morde – zweifellos war Furschtatski vergiftet worden.
Ein, zwei Tage lief sie herum wie im Fieber. Was tun? Was tun?Der Polizei melden? Aber erstens hatte sie keinerlei Beweise. Sie würden es als Phantasien eines überspannten Frauenzimmers abtun. Zweitens hatte Astralow Familie. Und drittens … Drittens hatte sie große Angst.
Dshingis Khan hatte den Verstand verloren, seine Eifersucht war zu einer paranoiden Idee geworden. Überall – auf der Straße, beim Einkaufen, im Theater – spürte sie, dass sie verfolgt wurde. Und das war kein Verfolgungswahn, nein! In ihrem Muff, in ihrer Hutschachtel, sogar in ihrer Puderdose
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