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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Scham eine höchst angenehme Erregung: Sein Puls hämmerte, er bekam eine Gänsehaut, jeder Nerv war zum Zerreißen gespannt. Das war der wahre Grund, warum er den stümperhaften Borgia nicht in die Ecke gedrängt, ihn nicht mit der Indizienkette gefesselt hatte. Er wollte sich selbst ein wenig aufrütteln, sein Blut in Wallung bringen. Liebe, Gefahr und das Vorgefühl eines Sieges – das war das wahre Leben, das Alter konnte warten.
    Das Risiko war im Übrigen nicht sehr groß. Es sei denn, der Täter würde schießen, aber das war eher unwahrscheinlich. Erstens würde der Nachtwächter es hören und die Polizei alarmieren. Zweitens würde der »Lermontow für Arme«, wie Stern den Assistenten treffend und schonungslos genannt hatte, nach Fandorins Einschätzung eine theatralischere Methode wählen.
    Dennoch war Erast Petrowitschs Gehör bereit, das leiseste Geräusch eines entsicherten Abzugs wahrzunehmen. In einem dunklen Raum eine sich rasch bewegende schwarze Katze zu treffen (Fandorin trug heute einen schwarzen Gehrock) war nicht so einfach.
    Wo sich der Mörder befand, hatte er bereits ausgemacht. In der rechten Ecke raschelte es leise. Niemand außer Fandorin, der seinerzeit eigens gelernt hatte, auf die Stille zu hören, hätte diesem Geräusch Beachtung geschenkt, er aber wusste sofort: Da rieb Stoff gegen Stoff. Der Mensch im Versteck hatte den Arm gehoben. Was hielt er in der Hand? Eine Stichwaffe? Etwas Stumpfes, Schweres? Oder doch einen Revolver, den er bereits entsichert hatte?
    Fandorin machte für alle Fälle einen raschen Schritt zur Seite, aus dem grauen Lichtstreifen ins Dunkel. Er pfiff eine Romanze, und zwar auf ganz besondere Weise: den Mund seitlich verzogen. So würde der Täter seine Zielscheibe einen Schritt weiter links vermuten.
    Nun denn, Monsieur Dewjatkin. Nur Mut! Das Opfer ist völlig arglos. Greifen Sie an!
    Doch auf Erast Petrowitsch wartete eine Überraschung. Der Lichtschalter klackte, und die Requisite war in grelles elektrisches Licht getaucht. Darum hatte der Assistent also den Arm gehoben.
    Denn das war natürlich er – mit zerzaustem Schopf und fieberhaft funkelnden Augen. Die Deduktion hatte Fandorin nicht getäuscht. Dennoch erlebte er neben dem elektrischen Licht noch eine weitere Überraschung. In der Hand hielt Dewjatkin kein Messer, keine Axt und auch keinen vulgären Hammer, sondern zwei Florette mit glockenartigem Griff. Sie hatten im Regal unter dem Kelch gelegen – Attrappen aus demselben Stück.
    »Sehr effektvoll«, sagte Erast Petrowitsch und klatschte lautlos in die Hände. »Nur schade, dass Sie keine Zuschauer haben.«
    Doch eine Zuschauerin gab es: Die Fandorin bereits bekannte Ratte saß auf ihrem Platz, mit bösartig blinkenden Augen. Sie betrachtete sie vermutlich beide als Kretins, die ungeniert in ihr Revier eingedrungen waren.
    Der Assistent versperrte den Ausgang, die Florette mit dem Griff nach vorn in der Hand.
    »W-warum haben Sie das Licht eingeschaltet? Im Dunkeln wäre es einfacher gewesen.«
    »Es ist nicht meine Art, von hinten anzugreifen. Ich gebe Sie in die Hand des Schicksalsgerichts, Sie falscher Autor. Wählen Sie eine Waffe und verteidigen Sie sich!«
    Er war wirklich sonderbar, dieser Dewjatkin. Vollkommen ruhig, ja sogar feierlich. Ein entlarvter Mörder verhielt sich anders. Und was sollte der Zirkus mit den Waffenattrappen? Wozu?
    Trotzdem nahm Fandorin ein Florett – ohne hinzusehen. Er warf einen kurzen Blick auf die Klinge. Damit konnte man keinen Menschen durchbohren, man konnte ihm höchstens ein paar Kratzer verpassen. Oder eine Beule, wenn man kräftig ausholte.
    Ehe Fandorin auch nur die Kampfstellung eingenommen hatte, (ja, er hatte noch nicht einmal entschieden, ob er bei dieser Clownerie mitmachen wollte), da ging sein Gegner mit dem Ruf »
En Garde
!« mit einem energischen Ausfallschritt schon zum Angriff über. Hätte Fandorin nicht über ein so ausgezeichnetes Reaktionsvermögen verfügt, hätte das Florett seine Brust getroffen, doch er war rechtzeitig beiseitegesprungen. Aber die Spitze hatte ihm den Ärmel zerrissen und seine Haut geritzt.
    »Touché!«, rief Dewjatkin und wischte einen Blutstropfen von der Klinge. »Sie sind tot!«
    Der exzellente Gehrock war hoffnungslos ruiniert, ebenso das Hemd. Es lässt sich nicht in Worte fassen, wie wütend Erast Petrowitsch war, der seine Kleidung stets aus London kommen ließ.
    Fandorin konnte, das muss gesagt werden, ganz gut fechten. Als junger Mann hatte er bei

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