Moskauer Diva
einem Säbelduell einmal um ein Haar sein Leben eingebüßt und sich danach darum bemüht, diese Bildungslücke zu schließen. Er ging zum Angriff über und attackierte seinen Gegner mit einer ganzen Kaskade von Hieben. Sie wollen Ihren Spaß haben? Bitte sehr!
Aus psychologischer Sicht war das übrigens eine sichere Methode, den Willen seines Opponenten zu brechen – indem man ihn in einem Wettbewerb besiegte.
Dewjatkin hatte es nicht leicht, aber er verteidigte sich gekonnt. Nur ein Mal konnte Erast Petrowitsch dem Assistenten einen Schlag mit der flachen Klinge gegen die Stirn versetzen, außerdem traf er ihn ein Mal am Hals. Der Assistent wich unter diesem Ansturm zurück und starrte den vor Wut ganz blassen Fandorin mit wachsender Verblüffung an. Offenbar hatte er dem Autor solche Gewandtheit nicht zugetraut.
So, Schluss jetzt mit dem Unsinn, sagte sich Erast Petrowitsch.
Finiamo la commedia
.
Mit einer zweifachen Parade erfasste Fandorin die Waffe seinesGegners, vollführte eine Drehung, und das Florett flog in eine entfernte Ecke. Fandorin drückte Dewjatkin mit der Klinge gegen die Wand und sagte ironisch: »Schluss mit dem Theater. Ich schlage vor, wir kehren zum realen Leben zurück. Und zum realen Tod.«
Der Besiegte stand reglos da, den Blick schräg nach unten auf die Waffe auf seiner Brust gerichtet. Schweißperlen traten ihm auf die blasse, mit einer rot anlaufenden Beule bedeckte Stirn.
»Bitte erstechen Sie mich nicht«, sagte er heiser. »Töten Sie mich lieber irgendwie anders.«
»Warum sollte ich Sie töten?«, fragte Fandorin erstaunt. »Außerdem wäre das mit dieser stumpfen Klinge ziemlich schwierig. Nein, mein Lieber, Sie werden zu Zwangsarbeit verurteilt. Wegen kaltblütigen und gemeinen Mordes.«
»Wovon reden Sie? Ich verstehe nicht.«
Erast Petrowitsch verzog das Gesicht.
»Mein lieber Herr, leugnen Sie doch nicht die offensichtlichen Fakten. Das ist d-dramaturgisch äußerst langweilig. Wenn Sie Smaragdow nicht vergiftet haben, warum sollten Sie mir dann eine Falle stellen?«
Der Assistent hob den Blick, schaute ihn mit seinen runden braunen Augen an und zwinkerte.
»Sie beschuldigen mich, Ippolit getötet zu haben?
Mich
?«
Für einen drittklassigen Schauspieler war sein Erstaunen nicht schlecht gespielt. Erast Petrowitsch musste sogar lachen.
»Wen denn sonst?«
»Waren das denn nicht Sie?«
Einer derartigen Unverschämtheit war Fandorin selten begegnet. Er war leicht verwirrt.
»Was?«
»Aber Sie haben sich doch selbst verraten. Heute, beim Teetrinken!« Dewjatkin berührte vorsichtig die Klinge und schob sie von seiner Brust. »Ich quäle mich seit vorgestern mit Zweifeln. Ein Mannwie Ippolit kann sich nicht selbst getötet haben! Das wollte mir nicht in den Kopf. Er hat sich viel zu sehr geliebt. Und dann erwähnen Sie plötzlich die Kelche. Das traf mich wie ein Schlag! Jemand ist bei ihm gewesen, bei Ippolit! Hat mit ihm Wein getrunken! Und ihm Gift gegeben! Ich ging in die Requisite, um mir den zweiten Kelch anzusehen. Und da sehe ich eine Bure-Uhr! Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Alles passte! Der geheimnisvolle Herr Fandorin, der aus dem Nichts auftaucht, wieder verschwindet und erneut auftaucht – am Tag nach Ippolits Tod! Die Kelche, die er erwähnt! Die liegengelassene Uhr! Mir war klar, dass Sie sie holen würden. Wissen Sie, ich bin kein Meister im Erraten von Geheimnissen, aber ich glaube an die Gerechtigkeit und an Gottes Gericht. Darum beschloss ich: Wenn er kommt, werde ich ihn zum Duell fordern. Und wenn Fandorin der Täter ist, wird das Schicksal ihn strafen. Ich ging in meine Garderobe, kehrte hierher zurück, wartete auf Sie, und Sie sind gekommen. Aber Sie sind am Leben geblieben, und nun weiß ich nicht, was ich denken soll …« Er breitete verwirrt die Arme aus.
»Schwachsinn!« Fandorin lachte trocken. »Wieso sollte ich Smaragdow umbringen?«
»Aus Eifersucht.« Dewjatkin blickte ihn mit wehmütigem Tadel an. »Smaragdow hat sich zu offensichtlich um sie bemüht. Und Sie sind in sie verliebt, das sieht man. Auch Sie haben ihretwegen den Verstand verloren. Wie so viele …«
Erast Petrowitsch spürte, dass er errötete, fragte nicht einmal, von wem Dewjatkin sprach, und hob die Stimme.
»Wir reden hier nicht von mir, sondern von Ihnen! Was erzählen Sie da für einen Unsinn von Gottes Gericht? Mit diesen Stöckern hier kann man niemanden töten!«
Der Assistent warf einen argwöhnischen Blick auf die Klinge.
»Stimmt,
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