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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Beziehungen zu den Behörden würden vor Konflikten mit dem Gesetz schützen, gute Beziehungen zu Zarkow den Schutz vor Kriminellen und diebischen Mitarbeitern garantieren.
    Fandorin hörte zu und fragte sich, warum in Russland zu allen Zeiten für den Erfolg einer jeden Unternehmung »gute Beziehungen« entscheidend waren. Vermutlich, weil der russische Mensch Gesetze als ärgerliche Formalität betrachtet, von einer feindlichen Macht im eigenen Interesse erfunden. Der Name dieser feindlichen Macht war »Staat«. Und nichts an den Handlungen des Staates war vernünftig oder wohlwollend. Dieses Ungeheuer, sagt schon Radistschew 2 , ist »behäbig, niederträchtig und riesig, hat hundert Mäuler und bellt«. Die einzige Rettung ist, dass es zudem recht blind und dumm ist und jedes einzelne »Maul« leicht zu füttern. Ohne das kann man in Russland einfach nicht leben. Stell dich gut mit dem nächstgelegenen gierigen Maul, und du kannst tun, was du willst. Aber denk daran, rechtzeitig Fleischbrocken nachzuwerfen.So war es unter den Nachfahren Rjuriks 3 , so ist es unter den Romanows, und so wird es bleiben, solange sich das Verhältnis zwischen Bürgern und Staat nicht grundlegend ändert.
    Erast Petrowitsch versprach, über den geschäftlichen Vorschlag des Millionärs nachzudenken, und verließ die »Gesellschaft für Theater und Kinematographie« in der Tat nachdenklich. Der Gegner, den er herausgefordert hatte, war ernster zu nehmen, als er geglaubt hatte.
    Der technische Geist des zwanzigsten Jahrhunderts setzte sich allmählich auch in der kriminellen Moskauer Unterwelt durch. Bei Zarkow zum Beispiel gab es amerikanische Buchhaltung, eine gegliederte Struktur, Automobile und einen sicheren Schutz von oben. Im Alleingang gegen eine solche Organisation vorzugehen war wohl unvernünftig. Ob er wollte oder nicht – er musste sich mit Masa versöhnen.
    Ein wahrer Freund
    Der Japaner kam zum Übernachten nicht nach Hause. Fandorin maß dem keine besondere Bedeutung bei. Er vermutete ihn bei der Klubnikina. Halb so schlimm, den Plan eines kleinen Besuchs in Sokolniki konnten sie auch am nächsten Tag besprechen.
    Am Abend berichtete Lowtschilin von seiner Fahrt zu Zarkow. Der Schauspieler war zugleich verängstigt und neugierig. Die Nachricht von Fandorins Verdacht hatte das Oberhaupt der Spekulanten ernsthaft beunruhigt.
    »Wer sind Sie eigentlich? Ich meine, in Wirklichkeit?«, fragte Lowtschilin Erast Petrowitsch ängstlich. »Sie haben gesagt, ich soll ihnen jedes Wort von Ihnen sofort mitteilen … Wieso haben die solche Angst vor Ihnen?«
    »Ich habe keine Ahnung«, erwiderte Fandorin und sah den Schauspieler starr an. »Aber ich rate Ihnen davon ab, Mr. Swist jedes meiner Worte mitzuteilen.«
    Lowtschilin schluckte. »V-verstehe.« Er fuhr erschrocken zusammen. »Oh, ich wollte Sie nicht nachäffen! Das war keine Absicht!«
    »Das glaube ich Ihnen. Also ein einstöckiges Haus in Sokolniki, am Ende des Hirschparks? Bitte, setzen Sie sich und beschreiben Sie mir den Ort genauer. Mich interessiert die nähere Umgebung.«
     
    Zu Hause in der Swertschkow-Gasse ermittelte Fandorin mit Hilfe einer detaillierten Polizeikarte die jetzige Adresse des Kontors von Herrn Zarkow. Das Haus, von dem Lowtschilin berichtet hatte, war früher einmal ein Landhaus vor der Stadt gewesen und lag inzwischen auf dem Gelände des Parks. Auf der Karte war es als »Hirsch-Haus« verzeichnet. Im Schutz der Nacht begab sich Fandorin in das nordöstliche Gebiet von Sokolniki, um sich das Objekt näher anzusehen und, sollte sich die Gelegenheit dazu bieten, sein Vorhaben gleich auszuführen.
    Auf einen Sturmangriff musste er verzichten. Auf den ersten Blick lag das Haus sehr günstig: Es war auf drei Seiten von dichtem Gebüsch umgeben. Doch die leichte Zugänglichkeit täuschte. Das Kontor wurde gut bewacht. Ein Pinscher stand die ganze Zeit auf der Treppe und ließ kein Auge von der zu dem einzeln stehenden Haus führenden Allee. Fandorin schaute durch sein Fernglas und entdeckte noch vier weitere Männer, die drinnen Wache hielten. Die Vorhänge waren überall dicht zugezogen, doch oben, direkt unter der Gardinenstange, entdeckte er eine schmale Spalte. Um eine Vorstellung vom Grundriss des Erdgeschosses zu bekommen, musste Erast Petrowitsch auf drei Seiten des Hauses auf Bäume klettern. Eine unsolide, aber erfrischende Tätigkeit – Fandorin fühlte sich gleich jünger.
    Im ersten Stock lagen die Räume von Zarkow und das Zimmervon Mr.

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