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Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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mich gegen das Wochenende zu bei dir.«
    Judy sah zu, wie Tess zwischen den Tischen hindurch und zur Tür hinaus ging. Die Oliven im Salat glänzten immer noch, aber sie konnte nichts mehr essen. Doch sie würde tun, was Tess ihr geraten hatte: der Tatsache ins Auge sehen, daß Robert ihr schrecklich fehlte – ohne dabei freilich allzusehr an ihn zu denken: wie er die Zeitung las und ihr erklärte, daß alle alles anders hätten anpacken sollen; wie er aus Dichtungen des neunzehnten Jahrhunderts zitierte und dazu verrückte Zeichnungen machte; wie er sich bei allem, was er sich vornahm zu tun, mit zäher, ordinärer Verbissenheit vorwärtsarbeitete; wie er im Bett …
    Daran zu denken, das würde sie keinesfalls zulassen, denn wenn sie begann, an die süßen, heißen Liebesnächte mit Robert zu denken, würde sie das für den ganzen Tag lähmen, weil er ihr so schrecklich fehlte.
    Sex. Er gab Frauen immer den Rest, so oder so. Immer.
     
    Sobald Cavanaugh Setons 302er fertiggelesen hatte, verließ er das Büro. Er wollte Seton nicht begegnen. Er fuhr zurück zum Weather Vane Motel, packte seine Sachen und zog damit in ein anderes Motel, wo er sich unter einem FBI-Decknamen eintrug, damit ihn keine Reporter ausfindig machen konnten. Dieses Motel, das sich aus keinem ersichtlichen Grund ›Föhrenwald‹ nannte, war noch schlimmer als das Weather Vane. Weitaus schlimmer: durchgelegenes Bett, zerrissener Duschvorhang, Spuren von brennenden Zigaretten auf der Kommode. Dazu sackte der Boden auf einer Seite deutlich ab. Aber diesmal kam das FBI nicht für die Miete auf, und Cavanaugh war ohne Lohn suspendiert. Außerdem waren Hunde hier gestattet.
    Abigail akzeptierte die neue Bleibe mit derselben Gleichmütigkeit, mit der sie schon die letzte akzeptiert hatte. Sie beschnüffelte das altersschwache Mobiliar, schlabberte aus der Toilette und ließ sich mit einem glücklichen Seufzen im Durchgang zum Bad nieder. Offensichtlich war es Abigail egal, wo sie wohnte, solange nur Cavanaugh auch da wohnte. Sie war zufrieden.
    Cavanaugh hingegen war es langsam müde, aus dem Koffer zu leben. Was er auch brauchte, es befand sich ausnahmslos in einem anderen Karton im Wagen, auch wenn er dachte, er hätte es reingebracht. Und durch das ständige Herumwühlen darin war aus Marcys ordentlich gepackten Stapeln ein heilloses Durcheinander geworden. Und er vermißte seine Möbel, die im Lagerhaus eingemottet waren. Als er sie an jenem Samstag aus dem Haus in Rivermount abholen ließ, hatte er halb und halb gehofft, Judy dort anzutreffen, aber sie war nicht daheim gewesen. Früher oder später würde er eine Wohnung nehmen müssen, vielleicht in Leonardtown, in der Nähe des Büros. Sofern er überhaupt noch FBI-Beamter war, nachdem die Dienstaufsicht ihren Endbericht abgeliefert hatte.
    Er ließ die Koffer in seinem neuesten vorübergehenden Heim fallen, holte sich eine Schüssel Schmorgericht (so nannte es sich zumindest) aus dem Motel-Restaurant und verbrachte den Rest des Tages im Internet, während im Hintergrund das Radio lief. Um 18 Uhr 30, als die Arbeit der Nicht-Suspendierten zu Ende war, konnte er schließlich Felders in seiner Wohnung erreichen – die dieser, im Unterschied zu Cavanaugh, ja besaß.
    »Marty? Robert Cavanaugh.«
    Er hörte, wie Felders nach Luft schnappte. »Bob!«
    Cavanaugh mußte lächeln, ungeachtet aller Widrigkeiten; Felders war der einzige Mensch, dem es gestattet war, ihn ›Bob‹ zu nennen. Diese Freiheit, die Felders sich herausgenommen hatte, ohne zu fragen, erschien Robert plötzlich in einem ganz neuen, angenehmen Licht: Es gab doch jemanden, der sich in seiner Gesellschaft wohl fühlte.
    »Bob, was, zum Geier, haben Sie denn da wieder zusammengedreht!«
    Ah, Felders. Kam wie immer direkt zur Sache. »Ich habe mit einer Auskunftsperson geplaudert. Gescherzt. Über das FBI, das sich stets den Arsch bedeckt hält.«
    »Das ist alles? Da ist nicht mehr dran, als in den Nachrichten gesagt wurde?«
    »Nein. Ja. Ich meine, da ist eine Menge mehr dran, aber es hat nichts mit mir zu tun.«
    »Womit hat es denn zu tun?«
    Cavanaugh erklärte es. Er berichtete Felders von allem: von Setons 302ern über Curtis McGraw; vom sogenannten ›hinreichenden Tatverdacht‹ in dem Durchsuchungsbefehl; von Donohues Ausdrucksweise – seiner üblichen und jener, die in dem 302er und im Durchsuchungsbefehl zitiert wurde; von Dunbars Nervosität; von Melanie Andersons hartnäckiger Behauptung, daß ein Genozid im Gange

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