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Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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sagte Cavanaugh und legte auf, bevor er die einzige halbwegs gute Beziehung zu jemandem schädigte, der nicht aus einer Toilette trank.
     
    Nach drei Tagen in Arlo, Mississippi – das sie als einen der schönsten Orte auf Gottes Erde in Erinnerung hatte – hielt Melanie es nicht mehr aus dort.
    Arlo war immer noch schön. Weit weg vom großen Fluß und von allem anderen, gab es weder viel Industrie dort, noch Zersiedelung am Rand der Stadt oder Fernstraßen, die die ländliche Schönheit hätten stören können. Wachslilien wuchsen im tiefen Schatten der Eichen- und Kiefernwälder. Gelbe und lila Akelei wuchs auf langen, festen Stengeln. Die heiße Luft roch nach Donner, Regen und Kiefernnadeln und nach dem betäubend süßen, altmodischen Duft der Magnolien. Unter den Persimonenbäumen hallte der traurige, kühle Ruf der Spottdrossel durch die Stille, ganz genau so, wie Melanie es in Erinnerung gehabt hatte.
    Und auch die Menschen waren dieselben: Melanies Großmutter, deren alter Körper zwar dünner und fragiler als früher war, die aber immer noch morgens die Bibel las und zweimal die Woche mit einem blumengeschmückten Hut und mit weißen Handschuhen in die Kirche ging; Melanies Mutter, die im Live Oak Inn kellnerte und immer noch hübsch und durchaus imstande war, bis drei Uhr morgens im einzigen kleinen ›schwarzen Nachtclub‹ des Ortes durchzutanzen und bei den Verrenkungen aus den sechziger Jahren ihre beachtliche Figur zu zeigen. Melanies beste Freundin war die einzige, die sich verändert hatte. Coreen erwartete ihr viertes Kind, dessen Vater sich aus dem Staub gemacht hatte. Sie war niedergeschlagen, verbittert und arm, und sie weigerte sich, etwas davon zuzugeben; Melanie schwankte zwischen Bewunderung und ohnmächtiger Verzweiflung.
    Coreen ausgenommen, hatte nichts in Arlo sich verändert; aber Melanie hatte sich verändert.
    Dennoch unternahm sie lange Wanderungen in den Wäldern – selbstverständlich mit einer dicken Schicht Repellent auf der Haut – und bemühte sich redlich, jenen Seelenfrieden zu finden, den sie – wie Farlow gemeint hatte – dringend brauchte. Sie aß die süßen, sonnengewärmten Brombeeren, die nach Kindheit schmeckten. Sie angelte Sonnenfische und pflückte Massen von Blutkraut, das sie im ganzen Haus in Vasen arrangierte, bis ihr Bruder jammerte, es würde seine Allergien verschlimmern. Pflichtschuldig versuchte sie, mit ihrer Mutter zu tanzen und drehte sich im Wohnzimmer zu etwas, das sich ›Mashed Potato‹ nannte.
    Sie verriet ihrer Mutter nicht, daß ihr Selbstbewußtsein als Schwarze im untersten Keller eines tiefen Bergwerkes grundelte. Sie verriet ihrer Großmutter nicht, daß sie nicht an Gott glaubte. Sie sagte ihrem Bruder nicht, daß die Art, wie er seine Weiber behandelte, schäbig und unreif war. Sie sagte Coreen nicht, daß es zu nichts führte, wenn man sich ewig etwas vormachte und nicht aufhörte, seinen Groll zu nähren. Denn von allen Menschen, das erkannte Melanie ganz richtig, hatte sie wohl am wenigsten das Recht, diese Belehrungen irgend jemandem zuteil werden zu lassen.
    Und jeden Tag, jede Minute sehnte sie sich zurück nach Atlanta. Nach Afrika. Sogar zurück ins Weather Vane Motel.
    Sie hatte ihrer Familie keine Details ihres ›Urlaubes‹ erzählt, sondern nur gesagt, sie hätte in letzter Zeit zu viel gearbeitet. Falls sie aus den Zeitungen mehr wußten, dann ließen sie es sich nicht anmerken. Hingegen gaben sie Melanie jede Menge gute Ratschläge.
    Ihre Mutter: »Solltest mehr unter die Leute kommen, Kleines. Sieh zu, daß du ’n bißchen Spaß hast im Leben! Man sollte fröhlich sein und lachen, so oft man kann.«
    Ihr Bruder: »Dein Problem is’, daß du es nich’ oft genug kriegst, Süße. Such dir ’nen richtigen Mann und sieh zu, daß du auf deine Rechnung kommst.«
    Ihre Großmutter: »Vertrau auf Gott, Kind. Er is’ immer da, wenn du ihn brauchst.«
    Coreen: »Von deinem Zentrum kriegste rein gar nichts, Mel. Oder von irgendwem sonst. Am Ende kriegen die bloß dich. Aber deinen Arsch hier in diesem Drecksnest wundzusitzen, wenn du woanders hinkannst – also das wär’ wohl überhaupt beknackt. Hau ab, solange du kannst!«
    Befolgte sie also Coreens Ratschlag, als sie oben im Osten anrief? Oder war sie in Arlo einfach auf dem Tiefpunkt angelangt wie irgendein mieser Saufbruder, der endlich reif ist für die Anonymen Alkoholiker? O Gott, was für ein entsetzlicher Gedanke.
    Aber es stimmte ohnehin nicht. Sie rief bei

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