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Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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›jemand‹?«
    »Weiß ich doch nicht. Deshalb frage ich ja.«
    Sie sagte: »Nicht in Mississippi. Und nicht im Zusammenhang mit Malaria reading.«
    »Wo denn? Und in welchem anderen Zusammenhang?«
    Lieber Himmel, war der Mann beharrlich! Sie erzählte ihm von den anonymen Anrufen. Warum? Weil sie außer mit Joe Krovetz niemandem davon hatte erzählen können. Und seit ihrer Ankunft hier kam sie nicht ans Telefon, wenn Joe Krovetz anrief.
    Robert hörte zu und sagte dann: »Bringen Sie die Kassetten mit.«
    »Es gibt kein ›mit‹. Ich glaube nicht an Ihre Räubergeschichte und ich denke, es ist weder Zeit noch Mühe wert, darin zu stochern.«
    Und da sagte er das einzige, was sie von ihrem Entschluß abbringen konnte: »Also gut, Melanie, kommen Sie nicht. Wenn Sie mit Ihren zwei Wochen Nicht-Suspendierung etwas Besseres anzufangen wissen …« Wie er wohl darauf gekommen war?
    Melanie schloß die Augen. Dieses Haus, die Familie, die Stadt, die sie erdrückte … und dann, wenn ihr ›Urlaub‹ endlich zu Ende war, die schiefen Blicke und allzu innigen Mitgefühlskundgebungen beim Zentrum …
    »Okay, Robert. Ich komme. Wie ist Ihre jetzige Adresse?«
    Er nannte sie ihr. Sie verabschiedete sich und legte auf. Ihr Bruder stand hinter ihr und grinste.
    »Und wie lange stehst du schon da und hörst einer privaten Unterhaltung zu?« fragte Melanie gereizt.
    »Na jede Wette, daß es was Privates war«, grinste er. »Du fährst zu ihm? Gut für dich, Süße. Endlich kommst du auf deine Rechnung.«
    Sie überlegte, ihm zu erklären, wie die Dinge wirklich standen, oder ihn zu ohrfeigen oder ihm einen Vortrag über das Respektieren von Privatsphären zu halten. Aber das alles wäre bei ihm vergebliche Liebesmüh gewesen. Also stellte sie ihren Laptop an, ging on-line und bestellte ein Ticket für den nächstmöglichen Flug nach Washington.
     
    Cavanaugh verbrachte einen ganzen Tag damit, Earl Lester, den Insektenjungen von der Mittelschule in Rivermount, aufzuspüren. Der kleine Fetzen Papier mit Earls Adresse, die Marcy von der Botschaft auf Judys Anrufbeantworter niedergeschrieben hatte, war irgendwann im Laufe von Cavanaughs flotten Tapetenwechseln verlorengegangen. Judy konnte er nicht anrufen. Marcy ebensowenig, aber Marcy würde sich ohnehin nicht daran erinnern. Die Direktionssekretärin der Mittelschule erklärte, es wäre gegen die Schulprinzipien, die Adressen von Schülern herauszugeben. Aus ihrem Tonfall zu schließen hielt sie Cavanaugh für einen Kinderschänder. Der Schuldirektor machte Urlaub irgendwo auf den griechischen Inseln. Und die Lesters besaßen kein Telefon.
    Es blieb ihm schließlich nichts anderes übrig, als nach Rivermount zu fahren, nach Gruppen von jungen Leuten im Mittelschulalter Ausschau zu halten und sie zu fragen, wo Earl Lester wohnte. Cavanaugh hielt sich an größere Gruppen, damit die Befürchtungen der Direktionssekretärin nicht von irgend jemand anderem geteilt wurden. Trotz der glühendheißen Sonne, der hohen Luftfeuchtigkeit und der Temperatur von weit über dreißig Grad schienen die Kinder alle im Freien zu sein – auf dem Basketballplatz, unten am Fluß, beim Spazieren über die Main Street. Und von nirgendwo erhielt Cavanaugh eine brauchbare Auskunft. Entweder wußten sie alle nicht, wo Earl Lester wohnte, oder sie wollten es nicht verraten.
    Um 16 Uhr kehrte er erschöpft und verschwitzt ins Motel zurück; die Beamten der Dienstaufsicht warteten schon auf ihn.
    »Agent Cavanaugh?« sagte der ältere Agent förmlich. »Wir kommen im Namen der Disziplinarkommission der Bundespolizeibehörde FBI.«
    »Hallo, Miguel.«
    Miguel Sierra nickte und sah kurz zu Boden. Cavanaugh kannte ihn nicht gut, aber er war ihm des öfteren in der Dienststelle Baltimore begegnet. Wenn es sich nicht um einen ›Verdacht des Amtsvergehens‹ gegen einen hochrangigen Beamten handelte, dann setzte die Dienstaufsicht lokale Agenten für die internen Untersuchungen ein. Ein Beamter der Dienstaufsicht im Hauptquartier würde bestimmte Einvernahmen anordnen und den Abschlußbericht schreiben, aber Cavanaughs Kollegen würden die Kleinarbeit erledigen. In diesem Fall Miguel Sierra und die Frau, die er mitgebracht hatte und die Cavanaugh nicht kannte.
    »Das ist Agentin Eileen Morgan.«
    Cavanaugh nickte Eileen zu, einer kleinen Frau mit dem Äußeren, das von weiblichen Mitarbeitern in Quantico bevorzugt wurde: kurzes Haar, kein Lächeln, kein Make-up, kein Schmuck und streng geschnittener

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