Moskito
Begeisterung bei der Sache. Als Melanie zwei große Häufchen Exemplare beisammen hatte, mußte sie ihre Jäger wiederholt zurückrufen, denn keiner konnte glauben, daß das große Abenteuer zu Ende war.
Melanie suchte die am besten erhaltenen Exemplare aus, und das war dann alles, was sie im Kongo tun konnte. Der afrikanische Überträger der Malaria war Anopheles gambiae und nicht Anopheles quadrimaculatus, wie in Amerika, aber der Plasmodium-falciparum- Parasit war der gleiche. Melanie hatte keine Möglichkeit zu bestimmen, ob diese spezifischen Moskitos nun Malariaüberträger waren, bevor die Exemplare in Atlanta nicht analysiert wurden.
Aber die Mücken waren zweitrangig; das wirklich Bedeutsame waren die genealogischen Tabellen.
Auf Melanies Tafel befanden sich siebenhundert teils lebende, teils tote Menschen, die alle miteinander hochgradig blutsverwandt waren. Aus ihren persönlichen Krankheitsgeschichten konnte geschlossen werden, daß schätzungsweise 17 Prozent von ihnen Träger einer Sichelzellenanlage waren, aber nicht das doppelte Gen hatten, das Voraussetzung für eine echte Sichelzellenanämie war. In dieser widrigen Umgebung lebten diejenigen, die an letzterer litten, nicht lange genug, um Kinder zu haben. Von den Menschen, die während der jüngsten Malariaepidemie gestorben waren, zusammen mit den wenigen, die sie überlebt hatten, befand sich auf Melanies Tabelle jeder einzelne an einer Position, an der er die Sichelzellenanlage von seinen Eltern geerbt haben konnte. Natürlich war es ohne Blutproben der Toten unmöglich, wirklich sicher zu sein, daß sie die Sichelzellenanlage geerbt hatten, aber es konnte durchaus sein. Und die meisten jener Menschen, die vom jüngsten Ausbruch der Seuche unberührt geblieben waren, standen an einer Position, an der sie die Sichelzellenanlage nicht geerbt haben konnten.
Sie war also hier gewesen; Malaria reading war hier gewesen, und sie hatte mit der gleichen Abruptheit geendet wie in Maryland, wo das amerikanische Militär die weltweit wirksamsten Methoden der Seuchenbekämpfung angewendet hatte.
Aber in Yamdongi hatte es keine wirksamen Methoden der Seuchenbekämpfung gegeben. Melanie hatte alle eingehend darüber befragt, besonders die Kinder. Kongolesische Kinder erkundeten – wie die Kinder der übrigen Welt – einfach alles. Sie rannten in den Wald, stöberten alles auf, stocherten in sonderbaren Objekten und sprachen mit Fremden, auch wenn es ihnen verboten war. Die Kinder, mit denen Melanie sprach, nachdem sie ihre Fragen mit verschiedenen kleinen Geschenken versüßt hatte, waren alle völlig sicher gewesen, daß sich während der Krankheit außer dem Krankenhauspersonal keine Fremden in Yamdongi aufgehalten hatten. Keine Soldaten, die im Wald etwas versprühten (Melanie hatte das ›Sprühen‹ mit einer alten Desinfektionsmittelflasche, in die sie Wasser füllte, demonstriert). Kein Pulver, das auf dem Wasser schwamm. Keine neuen Dinge, die die Dorfbewohner in ihren Hütten aufstellen sollten.
Die Miniepidemie in Yamdongi war nicht mit konventionellen Mitteln gestoppt worden. Wie dann?
Von wem?
Und warum?
Den Großteil ihrer letzten Nacht in Yamdongi lag Melanie wach und dachte an ihre gesammelten Daten. Vielleicht gab es eine andere Erklärungsmöglichkeit? Sie spielte im Geist Alternativen durch, war jedoch früher oder später gezwungen, jede davon fallenzulassen, weil irgendwo irgendein wichtiges Detail nicht zu den Fakten paßte. Nein, es gab nur eine einzige Erklärung, die zu den Daten paßte.
Wer auch immer die Malaria reading in Maryland auf die Menschheit losgelassen hatte, hatte es auch hier getan. Und hatte sie dann abrupt gestoppt.
Ein Doppeltest mit einer Variablen? Aber beide Malariaausbrüche – enthielten dieselbe Variable: dieser Malariaparasit befiel nur Zellen mit gesicheltem Hämoglobin. Die Krankheiten waren identisch, zumindest nach Melanies Wissensstand. Vielleicht würde die Analyse im Zentrum Unterschiede aufzeigen.
Ein Doppeltest, um zu sehen, ob die eine Epidemie beendet werden konnte, während die andere ihren Lauf nahm? Aber jemand hatte beide Epidemien beendet, mit der gleichen Abruptheit.
Ein Leck in einem Labor? Schließlich konnten Moskitos leicht entkommen, und mehr als einige wenige waren gar nicht notwendig. Unter den richtigen Bedingungen würde sich die Krankheit rasch ausbreiten. Aber zwei identische Laborlecks auf zwei Kontinenten in zehntausend Kilometer Entfernung voneinander?
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