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Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Unwahrscheinlich.
    Was also dann? Der Probelauf für einen Völkermord an zwei verschiedenen Populationen, einer afrikanischen und einer amerikanischen, den beiden größten negroiden Populationen der Welt.
    Durchgeführt von wem?
    Zu welchem schrecklichen Zweck?
    Sie warf sich auf dem harten Bett unter dem Moskitonetz herum, bis der Morgen graute. Dann stand sie auf, zog sich an, packte fertig und sagte adieu zu Brian Spencer und Sebo Masemo. Die Atmosphäre zwischen ihr und dem jungen britischen Arzt hatte sich abgekühlt; die professionelle Höflichkeit hätte verlangt, daß sie die Resultate ihrer Arbeit mit ihm besprach, aber das konnte sie nicht. Nicht dieses Resultat. Noch nicht.
    »Dann haben Sie also alles, was Sie haben wollten, Doktor Anderson?«
    »Ja. Und nochmals vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft.«
    »Keine Ursache«, sagte er steif. »Gute Reise.«
    Sie kletterte in den Landrover der katholischen Mission, gefahren von demselben Bantu, der für die nächsten acht knochenbrechenden Stunden dieselben antiquierten Rocknummern pfiff. Nach einer Nacht in der Missionsstation flog sie zurück nach Kinshasa. Vor dem Abflug nach Washington, auf dem Flughafen N’Djili, zerlegten die Zollbeamten ihre Reisetaschen, ihre Handtasche, ihren Geldgürtel. Es machte ihr nichts aus. Die genealogischen Tabellen waren für die Männer nichts als ausländisches Wischiwaschi, und die korrupten Beamten konzentrierten ihre Suche auf Dinge, die sie besteuern oder konfiszieren oder für die sie Bestechungsgeld kassieren konnten. Sie kamen nie auf die Idee, daß in den Saum von Melanies langem, weitem Baumwollkleid hundert winzige Stoffbeutelchen mit je einer toten Anopheles gambiae oder einer von einigen wenigen toten Larven genäht waren. Die Exemplare würden dort bleiben, bis Melanie die Zollschranken in den Vereinigten Staaten passiert hatte.
    Seit zehn Tagen hatte sie keine Zeitung in der Hand gehabt. Im Flugzeug gab es die Washington Post vom Vortag, und zum ersten Mal in diesem Sommer gab es auf der Titelseite kein Wort zur Malaria reading, sondern sie war randvoll mit dem neuesten Sexskandal eines weiteren Kongreßabgeordneten. Erst auf Seite vier stieß sie auf eine mit der Seuche in Zusammenhang stehende Meldung, und auch hierbei handelte es sich nur um eine Meinungsumfrage. Das Vertrauen der Amerikaner in das FBI, besagten die Umfrageresultate, war drastisch gesunken – einerseits als Folge der fälschlichen Festnahme von Michael Sean Donohue und andererseits als Folge der Unfähigkeit des FBI, einen anderen Verursacher der Epidemie zu finden.
    Melanie legte die Zeitung auf den leeren Nebensitz. Sie war erschöpft. Aber sie wagte nicht zu schlafen, aus Furcht, die Schicht Insekten in ihrem Kleid zu zerquetschen, die sie verfolgten, die sie rechtfertigten und die sich um sie legten wie ein unsichtbarer Schleier.

INTERIM
     
     
     
     
    Der außerordentliche Professor kam im Lehrerzimmer vorbei, um seine Post abzuholen. Kollegen, die am langen Tisch in der Mitte des Raums saßen, nickten ihm zu und fuhren fort in ihren Gesprächen. Draußen vor dem Fenster folgten künftige Schüler, die zu einem viertägigen Orientierungsbesuch gekommen waren, um sich schon im Sommer über die noch unbekannten Unbilden eines Colleges zu informieren, einem Studenten des dritten Jahrgangs, der mit schwindelerregendem Selbstbewußtsein auf die einzelnen Gebäude zeigte.
    Die Post bestand aus dem Üblichen. Die Ankündigung einer Fakultätskonferenz. Eine drei Monate zu spät kommende Pflichtarbeit eines Studenten, der in einem verzweifelten Begleitbrief enormen Streß und tiefes Bedauern zum Ausdruck brachte. Werbung für einen Ausverkauf von Büchern, für eine Studienreise und Bibliotheksregale. Und ein kleiner Umschlag von der Sozialversicherungsgesellschaft des Professors.
    Er riß ihn auf. Als außerordentlicher Professor, als Wanderprediger, der an vielen, vielen Orten jeweils nur wenige Vorlesungen hielt, mußte er selbst für seine Gesundheitsvorsorge bezahlen. Die Sicherheit, nicht eines Tages in der Wohnung seiner Schwester zu enden, ohne auch nur den Beistand einer zur Verabreichung von Schmerzmitteln befähigten Person in Anspruch nehmen zu können, kostete ihn ein paar Tausender im Jahr.
     
    Sehr geehrter Herr Doktor Marlin Smith!
    Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, daß Ihre Versicherungspolice Nr. … 4873 … bei unserer Gesellschaft per … 31. August d.J. … gekündigt wird.
    Kündigungsgrund ist ein

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