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Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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emotionell und unter alldem von biblischem Zorn erfüllt. Nein, Melanie war kein Mensch, bei dem man sich darauf verlassen konnte, daß er einem durch eine ganze Strategie hindurch eisern zur Seite stand.
    Als ob er eine Wahl hätte …
    Er sagte ihr, welche gemeinsamen Pläne er für Montag hatte.
     
    Samstag und Sonntag Nacht schlief er nicht gut. Abigail schnaufte und warf sich auf dem Boden neben seinem Bett herum, und das erinnerte ihn an Judys leises Schnarchen.
    Der Hund öffnete ein Auge, als Cavanaugh aus dem Bett stieg, stellte die Ohren auf, als er seine Jeans anzog, und schwang sich zu voller Aktivität auf, als es definitiv nach Gassigehen aussah. Cavanaugh nahm keine Leine mit; falls irgend jemand um vier Uhr morgens unterwegs war und etwas dagegen hatte, dann sollte er nur. Zusammen mit Abigail schlich er an Melanie vorbei, die auf Cavanaughs Sofa auf dem Bauch lag. Melanie schnarchte auch ein wenig, aber es war einfach nicht das gleiche.
    Zu dieser Stunde hatte er Leonardtown noch nie gesehen. Es war wirklich schön. Aber vielleicht war Leonardtown immer schön, und er hatte die Stadt bloß zu sehr verabscheut, um es zu bemerken. Er verabscheute sie immer noch, aber jetzt, ein paar Stunden vor Entscheidungen, die sein eigenes Leben und das vieler anderer platzen lassen konnten wie einen Luftballon, nahmen Cavanaughs geschärfte Sinne seine Umgebung auf, als würde er sie zum ersten Mal sehen.
    Die Washington Street – die Hauptstraße der Stadt – wurde von ovalen Raseninseln geteilt und von stattlichen Gebäuden gesäumt. In dem fahlen Licht der verschwindenden Sterne sahen sie aus wie Gespenster aus der Vergangenheit – was sie auch waren: das Rathaus aus rotem Backstein mit hohen weißen Säulen davor, erbaut im Stil der alten, auf die Zeit vor dem Bürgerkrieg zurückreichenden Herrenhäuser der Plantagen des Südens; davor die Kanone, 1634 für ›die Verteidigung von Saint Mary’s City‹ aus England hierhergebracht; das frühere Gefängnis, jetzt eine Sehenswürdigkeit, in dem einst Häftlinge wegen ›Verbrechen‹ wie ›Plünderung einer Truhe Borten und Spitzen, während die Herrin des Hauses im Kindbett im Sterben lag‹ auf ihre Hinrichtung gewartet hatten. Das Ende der Washington Street führte steil zum Potomac hinab, wo vor langer Zeit ›die Kriegsschiffe Seiner Majestät‹ vor Anker gegangen waren. Ja, Leonardtown war eine schöne Stadt, aber es war die kriegerische Schönheit aus dreieinhalb Jahrhunderten der Auseinandersetzungen.
    O Gott, würde es richtig sein, was er vorhatte? Oder etwa nicht?
    Im allgemeinen war es keine gute Idee, dachte Cavanaugh, als er sich auf die schneeweiße Bank im Park vor dem Rathaus setzte, sich mit der eigenen Regierung anzulegen. Man hatte wenig Chancen, gegen sie zu gewinnen, denn die Regierung hatte alle Asse in der Hand. Aber das war, soweit es Cavanaugh betraf, nicht die wirkliche Gefahr. Die wirkliche Gefahr lag darin, zu entdecken, wie diese Regierung ihre früheren Asse ausgespielt hatte.
    Cavanaugh wußte, er war ein Idealist; das hatte er schon klar erkannt, als er noch in Quantico in der Ausbildung gewesen war. Er hatte seine Kollegen betrachtet und festgestellt, daß sie aus den verschiedensten Gründen FBI-Agenten werden wollten. Carreras Familie zum Beispiel bestand aus drei vorangegangenen Generationen von Bullen; das FBI bedeutete da nur eine Art gesellschaftlichen Aufstieg. Johnson kam aus der Air Force; sie liebte das Risiko und die geballte Aktivität. Williamson war ehrlich genug zuzugeben, daß es ihn zum FBI zog, weil Filme ihn in dieser Richtung beeinflußt hatten. Und Moreno hatte es auf die Vergünstigungen und die ihm dereinst winkende Pension abgesehen, die der Staatsdienst mit sich brachten.
    Cavanaugh war anders. Mit einem Studienabschluß in englischer Literatur, als abgefallener Methodist und als Flüchtling aus der Welt der Großunternehmen, glaubte Cavanaugh dennoch an Recht und Gesetz und an seine Notwendigkeit, seine Funktion, ja sogar an seine seligmachende Gnade. Ohne Gesetz, so dachte Cavanaugh, würde die Menschheit nicht nur ›blutigrot in Zahn und Klaue‹ werden, sondern auch im Geist; das Gesetz stellte die einzige Hoffnung der Menschheit dar, ihre angeborene Brutalität in Grenzen zu halten. In seiner spezifischen Anwendung mochte das Gesetz zwar gelegentlich versagen, aber im großen und ganzen stand die amerikanische Jurisprudenz auf einer soliden Grundlage, und sie hielt auch die amerikanische

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