Moskito
er dazu sagen? Er war eine Null, er war zu spät gekommen, und er glaubte nicht an die Fabel vom einsamen Terroristen. Das war nichts als Wunschdenken, um die rassischen und politischen Implikationen einer wohlorganisierten Anti-Schwarzen-Gruppe, die unter Umständen sogar von einem fremden Land aus agierte, nicht weiterverfolgen zu müssen. Oh, sicher, das FBI würde diese Möglichkeit sorgfältig untersuchen – hinter den Kulissen. Ebenso wie die CIA. Aber für den Normalverbraucher würde die Sache heruntergespielt werden: nur keine Panikmache. Nur keine Unruhen, wie die Schlägerei vor dem Weißen Haus. Niemand wollte Unruhe.
Da war es doch weitaus besser, die Öffentlichkeit in dem Glauben zu lassen, daß irgendwo da draußen ein einzelner Irrer herumstrich, den das FBI genauso fangen würde, wie es den Unabomber gefangen hatte. Weitaus besser, vertrottelte Memos an alle FBI-Mitarbeiter und Warnungen vor Terrorakten herauszugeben, was den Eindruck erweckte, daß das FBI mehr wußte, als es verriet. Warnungen waren absolut überflüssig: in ganz Amerika gab es keinen Menschen, der nicht wußte, was es mit Malaria reading auf sich hatte. Es sei denn, er besäße keinen Fernseher, kein Radio, keine Zeitung und keine Nachbarn im Umkreis von zehn Kilometern, dachte Cavanaugh, und wenn dieser Mensch in Maryland oder Virginia lebt, würde selbst das nichts nützen, weil das Zentrum für Seuchenkontrolle, die Gesundheitsbehörden oder die Armee auf seiner einsamen Schwelle auftaucht und ihm Fragen stellt, ihm rät, sein Vogelbad austrocknen zu lassen, und ihn dazu drängt, sein Blut testen zu lassen.
Die Besprechung ging zum nächsten Punkt über. Es wurden Teams zusammengestellt, verantwortlich für das Aufspüren von relevanten wissenschaftlichen Laboreinrichtungen, für die Identifizierung von Verdächtigen, für ihre Observierung, für die Überprüfung ihres Vorlebens; für die Kontakte zum Zentrum für Seuchenkontrolle, für die internationalen Recherchen. Cavanaugh kritzelte auf seinem Block herum.
Er zeichnete eine riesige Venusfliegenfalle, die einen FBI-Agenten verschlang. Alles, was übrigblieb, waren Waffe und Kennmarke des Agenten. Benommen neigte sich die Venusfliegenfalle zur Seite. Ein benachbartes Gänseblümchen erklärte dazu mißbilligend: »ICH SAGTE IHR GLEICH, SIE SOLL DAS DING NICHT FRESSEN!«
Er zeichnete acht Felder und in jedes davon einen Stein; einen identischen Stein. Darunter schrieb er: »ROCKYS ABENTEUER.«
Er zeichnete einen Mann und eine Frau auf einem Sofa. »DIALOG AUF NAHEZU MENSCHLICHER EBENE«, nannte er es. Der Mann sagte: »Was gibt es zum Abendessen?« Die Frau antwortete: »Ja, aber soll ich einen Pinguin anziehen?«
Cavanaugh merkte, daß das Paar aussah wie er und Judy.
Er drehte den Block um und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die Konferenz. Es kam wenig überraschend, daß die Dienststelle Südliches Maryland – welche aus ihm und Seton bestand – den Auftrag erhielt, die Überprüfung der radikalen Kreise im Zuständigkeitsbereich fortzusetzen. Selbstverständlich glaubte niemand, daß die radikalen Kreise in der Lage waren, einen genmanipulierten Malariatypus zu schaffen. »Wir müssen sicherstellen, alle möglichen Gebiete abzudecken«, sagte Dunbar. Wir müssen sicherstellen, daß du das Maul hältst und am Rand des Spielfeldes beschäftigt bist, das sagte er nicht, aber Cavanaugh hörte es trotzdem.
Erst kurz nach Mittag, und es war ihm bereits gelungen, seine Freundin zu vergrämen, seinen Boss und, wie es schien, sämtliche Götter des Polizeiapparates. Vermutlich ein persönlicher Rekord.
Immer wieder traten neue Talente bei ihm zutage.
INTERIM
Kurz vor Sonnenaufgang fuhr der LKW bei den Hütten vor. Die Arbeiter drinnen waren bereits auf, aßen gebratenen Speck, versorgten ihre Kinder, trotteten zu den Abtritten und zum Duschhaus aus roh gezimmertem Holz. Es gab keine sanitären Anlagen in den Hütten selbst.
Der LKW-Fahrer hupte zweimal. Wie Schatten im Morgengrauen kamen Männer und Frauen zum LKW und kletterten auf die Ladefläche.
»Ich zähle sechzehn«, sagte der Fahrer. »Himmel, das reicht ja nicht!«
Der Mann neben ihm sagte nichts darauf.
»Berenger springt mir an die Gurgel, wenn ich ihm bloß sechzehn bringe! Verdammt, heute jäten wir!« Er drehte das Fenster nach unten und schwenkte draußen den Arm. »He! Macht schon! Wir fahren los!«
Im fahlen Morgenlicht sah der Arm, der aus dem LKW-Fenster ragte,
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