Moskito
geisterhaft grau aus. Aber die Saisonarbeiter brauchten seine Farbe nicht zu sehen; sie kannten die Stimme.
»Sie haben Angst«, sagte der zweite Mann im Fahrerhaus abrupt. Er war schwarz. »Kann man ihnen nich’ verübeln. Haufenweise Moskitos heuer.«
»Ich verüble es ihnen ja nich’. Aber ich muß nun mal meine Mannschaft haben!« Er schwenkte wiederum einladend seinen Arm. »He! He!«
»Mit Brüllen bringst du sie auch nich’ zum Mitkommen.«
Der Fahrer zog den Arm ein und schaltete das Radio an. »… erneute Unruhen in Washington, wo sowohl bei Protesten als auch bei Plünderungen …«
»Schalt ab«, sagte der Schwarze.
Der Fahrer schaltete ab. Im Osten krochen die ersten Anfänge des Sonnenaufganges über den Himmel. Schwärme von Mücken bewegten sich im Licht der Scheinwerfer.
»Und mach das Fenster zu«, fügte der Schwarze hinzu.
»Entschuldige«, sagte der Fahrer. Er drehte eilig an der Fensterkurbel. Die beiden Männer sahen einander nicht an. Aus der ersten Hütte kam zögernd noch eine Gestalt – eine Frau, die widerstrebend durch die flügelsurrende Morgendämmerung zur offenen Ladefläche des LKWs stolperte.
ACHT
Die Bedeutung der biologischen Kriegsführung wird so lange eine Streitfrage bleiben, bis die Erfahrung einen Beweis dafür oder dagegen liefert … Es gibt hier nur einen logischen Weg zu gehen, nämlich die Möglichkeiten einer solchen Kriegsführung aus jedem Winkel zu beleuchten, alle Vorbereitungen zur Reduzierung ihrer Wirksamkeit zu treffen und damit die Wahrscheinlichkeit ihres Einsatzes zu verringern.
- Kriegsminister Henry Stimson, 1942 in einem Brief an Dr. Frank B. Dewett, den Präsidenten der Nationalen Wissenschaftsakademie
Sechs Wochen Epidemie, dachte Melanie Anderson, als sie sich in ihrer Kochnische im Weather Vane Motel ein Omelett briet, und immer noch sind wir bei Null.
Nein, nicht exakt Null: sie besaßen nun die kompletteste Sammlung von Diagrammen in der gesamten Geschichte der Seuchenüberwachung. Diagramme, die präzise aufzeigten, wer die Krankheit wo und wann bekommen hatte, wie die Erkrankung verlaufen war und wie oft sie zum Tod geführt hatte. Zeitdiagramme, welche die Ausbreitung von Malaria reading mit der Reproduktionsrate der Anophelesmücke korrelierten. Vektordiagramme, die alles von Anopheles wußten – nur nicht, wann die verdammten Mistviecher liebestoll wurden.
Außerdem besaßen sie ein paar Tausend Moskitos – tote und lebende. Sie verfügten über vollständige Einblicke in die veränderten genetischen Mechanismen, die es dem Malariaparasiten erlaubten, Sichelzellen zu kolonisieren – in Blutzellen vorzudringen, die nie ein Malariaparasit zuvor gesehen hat … Sie hatten Fotos und Computersimulationen und katalogisierte Beweisstücke und Dokumentationen in zweifacher Ausfertigung. Und zu guter Letzt hatten sie sämtliche auf Malaria spezialisierten Seuchenforscher am Hals. Man konnte keinen Fuß vor den anderen setzen, ohne über einen Epidemiologen des Instituts für Tropenmedizin in Antwerpen, der Staatlichen Anstalt für mikrobiologische Forschungen in Porton Down, England, oder der Weltgesundheitsorganisation WHO zu stolpern. Die Wälder rund um Newburg hörten sich an wie der Turm zu Babel. Joe Krovetz hatte bereits eine brasilianische Münze und ein dänisches Bonbonpapierchen gefunden.
So viele eigene Leute des Zentrums für Seuchenkontrolle waren im Einsatz – sowohl hier als auch in Atlanta –, daß sich das Zentrum sogar außerstande gesehen hatte, einem Hilferuf eines seiner Stammkunden Folge zu leisten. Die Demokratische Republik Kongo meldete einen neuerlichen Ausbruch von Malaria – aber im Kongo gab es immerzu einen neuerlichen Ausbruch von Malaria. Das Zentrum konnte kein einziges Team entbehren. Schließlich ging es hier ja nicht etwa um Ebola: Afrika war an Malaria gewöhnt; die Vereinigten Staaten nicht.
Melanie wendete ihr Omelett so temperamentvoll, daß es halb aus der Bratpfanne hing. Sie schob und kratzte es zurück und schmiß ein wenig gehacktes Gemüse darauf. Heute abend war sie so gar nicht in der Stimmung, um zusammen mit den übrigen Teammitgliedern zu essen. Sie hatte sie einfach alle bis hier, ausgenommen den Jungen, Joe Krovetz. Er war der einzige, der so wie sie der Meinung war, daß es sich hier um einen Massenmordversuch an Schwarzen handelte. Dem stimmte wohl auch das gesamte FBI zu; ob man dort nun ernsthaft daran glaubte oder nicht, daß Malaria reading einen
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