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Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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fuchsteufelswild, daß Joe das nicht erkennen wollte … ausgerechnet Joe, der einzige Weiße, der ihrer Ansicht nach die volle Ungeheuerlichkeit der Geschehnisse begriff. Melanie hatte ihm von den Syphilis-Experimenten des Tuskegee-Instituts erzählt, bei denen man vierhundert männliche Schwarze bewußt unbehandelt ließ, damit die Regierungsstellen das Fortschreiten der Krankheit studieren konnten. Sie hatte Joe von der vorsätzlichen Malaria-Infizierung Strafgefangener im Bundesgefängnis von Atlanta erzählt, um Medikamente testen zu können, die sich noch im Versuchsstadium befanden – das ganze legitimiert durch einen Kongreßbeschluß. Aber angeblich handelte es sich bei den Versuchspersonen ausschließlich um Freiwillige, und es bestand bei dem Programm keinerlei wirtschaftliches Interesse von irgendeiner Seite (na klar, was sonst!). Sie hatte Joe erzählt von … Ach was, sie hatte genug von allem. Nicht einmal die Besten konnten erkennen, wie allgegenwärtig und destruktiv die Benachteiligungen waren. Ganz besonders nicht die Besten.
    »Mel«, sagte Joe sanft, »Sie verlieren die Nerven.«
    »Heißen Dank, Doktor Krovetz!«
    »Nein, es ist mein Ernst. Sie müssen …« Das Telefon klingelte schrill.
    Augenblicklich schrie Melanie: »Nein! Nicht abheben!«
    »Wollte ich ja gar nicht. Aber warum eigentlich?«
    Sie antwortete nicht. Nach einem weiteren Klingeln schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Ohne daß es ihr bewußt war, packte Melanie das Messer und schloß die Faust um den Griff.
    »Hallo, Melanie«, sagte dieselbe tiefe Stimme. »Scher dich zurück nach Atlanta, schwarze Schlampe! Hier bist du nicht mehr sicher. Wenn dich die Moskitos nicht kriegen, dann kriegen dich die weißen Bürger von Maryland! Hau ab, solange du kannst!« Klick.
    Melanie war schlagartig wieder ruhig. Sie trat an den Apparat, zog die Kassette heraus und vermerkte Datum und Uhrzeit auf dem Etikett, ehe sie sie in die Schublade zu den übrigen warf. Dann steckte sie eine neue Kassette in den Anrufbeantworter.
    Joe starrte sie an. »Ach du heilige Scheiße, Melanie! Wie oft passiert das denn?«
    »Ich habe jetzt sechzehn Aufnahmen«, sagte sie mit spröder Stimme. »Das ist Nummer siebzehn.«
    »Haben Sie Farlow davon informiert?«
    »Nein. Und Sie werden es auch nicht tun.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich an diesem Projekt dranbleiben will.« Sie setzte sich wieder hin und beugte sich zu Krovetz vor. Plötzlich hatte sie den dringenden Wunsch, Joe alles verständlich zu machen. »Merken Sie es denn nicht? Farlow würde mich furchtbar gern hier abziehen und mich durch jemand anderen ersetzen. Möglichst einen anderen Schwarzen ohne Sichelzellenanlage. Weil Farlow genau wie Sie der Meinung ist, daß ich ›die Nerven verliere‹, nur sagt er es nachdrücklicher und öfter. Aber ich bleibe an dieser Epidemie dran. Ich muß, Joe. Ich muß! Also unterstehen Sie sich ja nicht, ihm von diesen Anrufen zu erzählen! Und das ist mein voller Ernst. Habe ich Ihr Wort?«
    Krovetz saß still da und dachte nach. Eine Minute später sagte er: »Okay.«
    »Gut. Und jetzt holen wir uns Eis.«
    »Ich habe gerade welches gegessen. Und Sie sagten, Sie mögen keins.«
    »Da habe ich gelogen.« Mit einem Mal wollte sie hinaus aus dem Motelzimmer; die häßlichen Laute des anonymen Anrufes schienen noch in der Luft zu hängen und sie zu beschmutzen. Melanie konnte hier drinnen kaum atmen. Und der Teufel sollte sie holen, wenn sie sich von diesem feigen Dreckschleuderer zu einer Gefangenen in ihrem eigenen Zimmer machen ließ! Wie oft hatte sie sich auf der Suche nach Krankheitsüberträgern oder ihren Opfern durch den verseuchten afrikanischen Dschungel gekämpft – sie würde sich wirklich nicht von irgendeinem jämmerlichen schwachsinnigen Skinhead mit einem angefaulten Hirn unter der Glatze einschüchtern lassen!
    »Na ja, ich nehme an, Sie werden außer dem da …« – er zeigte auf Melanies Omelett – »noch etwas brauchen. Sie essen es ohnehin nicht, wie ich sehe.«
    »Nein. Sie haben recht, es schmeckt eklig. Ich will einen Hamburger.«
    »Gemacht. Aber sperren Sie ab. Immer, Mel. Die Tür war unversperrt, als ich reinkam.«
    Melanie versperrte die Tür. Auf dem Weg hinüber zum Schnellimbiß auf der anderen Straßenseite hielt sie reichlich Distanz zu Joe. Sie hatten zuletzt viel Zeit zusammen verbracht, und sie wollte nicht, daß irgendwelche Gerüchte aufkamen.
    Dennoch und obwohl sie es sich nur äußerst widerwillig eingestand, war

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