Moskito
noch bestreiten will, daß es sich bei Dr. Michael Sean Donohue um einen Verdächtigen handelt, konnten sich Reporter der Sun persönlich von der außergewöhnlich intensiven polizeilichen Überwachung des achtundvierzigjährigen Mikrobiologen überzeugen. Wie es scheint, begann man erst vor zwei Tagen mit der Überwachung, doch seit diesem Zeitpunkt wurden mindestens vier Beamte für die Verfolgung jedes Schrittes des Verdächtigen abgestellt – einschließlich einer lückenlosen Observierung seines Apartments in College Park.
Donohue, zweifacher Doktor der Universität Yale – Fachrichtungen Medizin und Genetik –, war bis vor sechs Monaten Mitarbeiter bei Genemod, einem kleinen, aufstrebenden Unternehmen in Virginia, das auf gentechnisch hergestellte Arzneimittel spezialisiert ist. Dr. Chris Allenwood, Geschäftsführer bei Genemod, lehnte es ab, Fragen nach den Gründen für Donohues Ausscheiden aus seiner Firma zu beantworten.
Die polizeiliche Überwachung Donohues kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem ein großer Prozentsatz der FBI-Finanzen in die Malaria-reading-Ermittlungen fließt, was darauf hindeutet, daß es sich bei Donohue tatsächlich um einen Verdächtigen in diesem äußerst brisanten Fall handelt.
Wie bereits gemeldet, hat vor Wochen schon FBI-Direktor Peter Broylin eine Botschaft an alle 25.000 Mitarbeiter seiner Behörde gerichtet, in der …
Hundesohn. Broylin brauchte einen Verdächtigen, also hatte er einen gefunden. Und diese Turner hatte Schatten an die Schatten gehängt, um herauszukriegen, wen das FBI beschattete.
Cavanaugh las die ersten beiden Absätze noch einmal. »Achtundvierzigjähriger Mikrobiologe … zweifacher Doktor der Universität Yale … Fachrichtungen Medizin und Genetik … Mitarbeiter bei Genemod, eines kleinen, aufstrebenden Unternehmens in Virginia …« Hat seinen Job verloren. Sie verwendeten also das Profil, das man in Quantico zusammengeschustert hatte. Und darüber hinaus, was immer sie sonst noch zu haben glaubten.
Durchaus möglich, daß Libby Turner seitens des FBI einen Wink erhalten hatte, was die Observierung Donohues betraf, weil man sichergehen wollte, daß die Öffentlichkeit erfuhr, wie schnurgerade sich das FBI auf der Straße zum Erfolg fortbewegte. So ganz unbekannt war diese Taktik ja nicht. Andererseits ließen die mageren Informationen über Donohue darauf schließen, daß die Sun genau wie angegeben über ihre Reporter auf die Story gestoßen war – und sie lieber mit diesen mageren Details veröffentlichte, als darauf zu warten, daß die Post oder sogar die Times ihr zuvorkam.
Cavanaugh schaltete die Kaffeemaschine ab und machte sich auf den Weg zur Dienststelle Baltimore. Von unterwegs rief er dort an, aber das wäre gar nicht nötig gewesen; er wußte, Dunbar würde eine Konferenz des Ermittlungsteams einberufen. Was er nicht wußte, war, wieviel das FBI wußte und die Presse nicht.
Noch nicht.
INTERIM
Als die alte Frau am Sonntagmorgen im Rollstuhl ins Wohnzimmer fuhr, sah sich Cindy schon Zeichentrickfilme im Fernsehen an. Cindys Zöpfchen standen nach allen Richtungen vom Kopf ab; es war schon eine gute Woche her, seit Cindys Mutter sie bei La-Wanda hatte flechten lassen. Als die alte Frau ein Kind gewesen war, hatten die Leute ihren Kindern noch selbst die Zöpfchen geflochten. Aber das war schon lange, lange her.
Sie rieb sich die Hände, bevor sie wieder die hohen Räder in Bewegung setzte. Es fiel ihr von Tag zu Tag schwerer, wie alles andere auch. Ihre Enkelin wollte ihr unbedingt einen elektrischen Rollstuhl kaufen, aber das war nichts für die alte Frau. Motoren waren dazu da, Maschinen anzutreiben, und nicht dazu, alten Leuten die Beine zu ersetzen. »Der liebe Gott will eben nicht mehr, daß ich laufe«, erklärte sie ihrer Enkelin immer, die daraufhin bloß die Lippen zusammenpreßte und den Kopf schüttelte.
»Cindy«, sagte sie leise, »Kleines.«
Ihre Urenkelin drehte sich um, lächelte und zeigte ihren einzig verbliebenen Vorderzahn. Trotzdem würde die Kleine eines Tages hübscher sein, als ihr guttat.
»Hallo, Uroma!«
»Hallo, Kleines. Komm, fahr mich nach draußen.«
Cindy warf einen zögernden Blick zurück auf den Fernseher, wo weiße Puppen in Stiefeln und Umhängen auf irgend etwas schossen. Aber sie war ein wohlerzogenes kleines Mädchen.
»Ja, Uroma. Aber draußen ist es noch dunkel.«
»Licht genug. Ich will das Gras an Gottes frühem Morgen riechen.«
Das kleine Mädchen faßte
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