Moskito
verkündet.«
Sie schüttelte seine Hände von den Schultern. »Warum sollte ich in Rage kommen? Das ist eine ziemliche Unverschämtheit, Krovetz! Außer Sie denken, der Verdächtige ist nur ein Phantasiegebilde, ein aus dem Finger gesogener …«
»Wie sollte ich das wissen? Ich bin nicht bei der Polizei, Gott sei Dank. Aber ich war gerade auf einen nächtlichen Tratsch bei Farlow, als der Anruf kam. Vielleicht sollten Sie zuerst die Story lesen.«
Melanie las die Überschrift auf der ersten Seite, als er ihr die Zeitung entgegenhielt. Die Buchstaben waren beinahe fünf Zentimeter hoch.
FBI ÜBERWACHT MÖGLICHEN VERDÄCHTIGEN IM FALL MALARIA READING
Libby Turner hatte den kurzen Artikel verfaßt. Ebensowenig wie Joe konnte Melanie hinterher sagen, ob es nun um einen wirklich Verdächtigen ging oder um einen beschwichtigenden Brocken, den man der Öffentlichkeit hinwarf. Und sie konnte auch nicht verstehen, weshalb Joe sie ansah, als wäre sie eine Bombe, die gleich explodieren würde.
»Na und? Sie haben jemanden. Das ist doch gut, oder? Und es heißt auch nicht, daß sie solange aufhören, nach anderen Verdächtigen zu suchen, bis sie ihm tatsächlich etwas anhängen können.«
»Nein. Ja. Was ich sagen will, da ist noch etwas.« Er fuhr sich mit den Fingern durch sein zerrauftes Haar.
Melanie hatte Joe noch nie nervös gesehen. Sie hätte jederzeit beschworen, daß das einfach unvorstellbar war. Ihre Kehle schnürte sich zusammen.
»Was ist es, Joe? Spucken Sie’s aus! Sie sagten, Sie waren mit Farlow zusammen, als ›der Anruf‹ kam. Wessen Anruf? Des FBI?«
»Nein. Der Baltimore Sun.«
»Und was wurde da gesagt? Was wird Farlow bei der Konferenz verkünden?«
»Ein Reporter rief an und erkundigte sich, was das Zentrum für Seuchenkontrolle zu dieser Observierung sagt. Farlow wußte es nicht, weil er zum ersten Mal davon hörte. Aber wie Sie wissen, führt das Zentrum Buch über alle Jobanwärter, einschließlich des jeweiligen Lebenslaufes und des Vorstellungsgespräches. Auf einen vagen Verdacht hin ging Farlow in den Computer des Zentrums, um nachzusehen, ob sich dieser Donohue nach seiner Kündigung bei Genemod in Virginia um eine Anstellung beim Zentrum beworben hatte. Und er hatte.« Wiederum fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar.
»Ja, und?«
»Jemand von der Personalabteilung führte das erste Gespräch mit ihm. Sein – oder ihr – Bericht darüber stellte fest, daß Donohue einen überheblichen und zugleich defensiven Eindruck machte. Den Umstand, daß er seit der Beendigung des Colleges von drei Firmen gekündigt worden war, erklärte er damit, daß seine Vorgesetzten, ich zitiere, ›immerzu darauf aus waren, mir Schwierigkeiten zu machen‹, Zitat Ende. Als sein Gesprächspartner fragte, weshalb sie das hätten tun sollen, erklärte Donohue, obwohl man ihm das nicht ansähe, sei er rassisch gemischter Abstammung, und das wäre der wahre Grund dafür. Die Familie seines Vaters sind Iren, aber mütterlicherseits ist ein Großelternteil schwarz.«
Melanie stockte der Atem. »Schwarz?«
»Ja. Das FBI muß das bereits wissen, aber diese Reporterin, Libby Turner, hat wahrscheinlich noch nicht die Zeit …«
»Schwarz? Sie wollen sagen, ein Schwarzer begeht einen Völkermord an seinen eigenen Leuten?«
»Ich sage gar nichts! Aber Donohue selbst behauptet …«
»Sind Sie verrückt? Oder nur angesteckt von den anderen?«
Krovetz holte tief Luft.
»Ist Ihnen überhaupt klar, was Sie daherschwätzen? Ja? Sie – oder Farlow oder das FBI oder die Presse, es ist mir scheißegal, wer – versuchen, uns diese Untat anzuhängen! Wir bringen unsere eigenen Leute um! Also ist es bloß ein kleiner Bürgerkrieg, nichts, was den Weißen gefährlich werden könnte, bloß die bekloppten Nigger, die sich untereinander abmurksen! Was sind schon ein paar Morde mehr bei dem schwarzen Pack, he!«
»Hören Sie auf, Mel.«
»Aufhören soll ich? Wagen Sie nicht, mir zu sagen, was ich tun soll! Sie stehen da vor mir und wiederholen die bösartigste Lüge auf der Welt, als würden Sie sie glauben, und ich soll aufhören …«
»Es ist nicht die bösartigste Lüge auf der Welt.«
»Wie können Sie das wissen? Wie können Sie überhaupt irgend etwas wissen? Wie können Sie wissen, wie es ist, wenn man … wenn man …?« Sie konnte nicht weitersprechen. Das da war Joe! Einer der anständigsten Menschen, die sie je kennengelernt hatte! Es war unrecht von ihr, Joe zum Schuldigen zu machen,
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