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Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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nach den Griffen des Rollstuhls und schob ihn mühelos durch die Küchentür und über die Rampe in den Garten hinter dem Haus.
    »Stell ihn dort hin, hinter diese Bäume. So ist es richtig. Und jetzt geh nur wieder hinein.«
    »Ich will aber hierbleiben und auch das Gras an Gottes frühem Morgen riechen.«
    »Nein, das willst du nicht. Deine Lieblingssendung läuft im Fernsehen. Los, rein mit dir!« Sie sah zu, wie Cindy wieder ins Haus hüpfte und unterwegs einen Purzelbaum schlug – einfach so, weil sie es eben konnte.
    Im Magen der alten Frau rumorte es. Sie konnte nicht mehr viel essen – nicht, ohne hinterher schreckliche Schmerzen im Magen und im Bauch zu haben. Und was auch immer sie aß, es schien Tage zu brauchen, bis es durch ihren Körper hindurch war, und dann hatte sie das Gefühl, sie würde gleich platzen. In Armen, Nacken und Händen quälte sie die Arthritis, und in letzter Zeit schien es ihr, als würde sie das bißchen Geschmacksempfinden verlieren, das in ihrem zahnlosen Mund noch übrig war. Aber das schlimmste waren die Windeln. Ihre Enkelin bezeichnete sie zwar anders, aber es waren ganz einfach Windeln. Davor war das Wasser aus ihr herausgeflossen, noch ehe sie es merkte – auf das Bett, den Stuhl oder einmal sogar auf das neue Sofa ihrer Enkelin.
    Sie schnüffelte in die Luft. Die Nase arbeitete auch nicht mehr richtig. Die Augen schon noch, wenigstens das. Sie konnte die Spielsachen ausmachen, die auf dem Rasen lagen, und die Vögel, die sich in den Bäumen das Herz aus dem Leib sangen, so früh am Morgen war es. Sie sah die Purpurwinden, die immer noch geschlossen waren, und das Perlgrau im Osten, das gerade eben zu Rosa wurde.
    Die Stechmücken konnte sie nicht richtig sehen, aber sie waren da.
    Sie schwärmten am Abend und am frühen Morgen. So hatten sie es gehalten, als die alte Frau noch ein kleines Mädchen gewesen war, und so hielten sie es heute, wo die Zeit der alten Frau schon längst gekommen wäre. Der liebe Gott, so erklärte sie immer wieder dem Doktor, der übersah sie ein ums andere Mal, wenn er die Menschen abberief von dieser Welt. Aber der liebe Gott hilft denen, die sich selbst helfen.
    Sie schüttelte den Schal von den Schultern und wartete. Sie dachte daran, was ein anderer Arzt ihr vor vielen Jahren gesagt hatte, als sie von diesem Auto niedergestoßen worden war und im Krankenhaus eine Bluttransfusion bekam. Damals hätte sie nicht gedacht, daß sie diese Information einmal brauchen würde. Komisch, was einem noch gelegen kam, wenn man lang genug wartete.
    Die alte Frau spürte den ersten Stich und starrte hinunter auf die Mücke. Sie stand fast auf dem Kopf an der Innenseite ihres Arms, den sie so mühevoll entblößt hatte, indem sie den Ärmel des Nachthemdes Stück um Stück hochschob. Die Mücke hatte weiß-gefleckte dunkle Flügel. Eine Sekunde später landete eine zweite auf ihrem nackten Knie.
    »Es ist höchste Zeit, lieber Gott«, sagte sie laut. »Meine Leute da drinnen, die werden erst in ein paar Stunden wach. Aber es ist höchste Zeit. Bitte, lieber Gott, mach es jetzt.
    Laß mich heimgehen.«

NEUN
     
    Wir sind alle Mutanten. Jeder Mensch ist – aus genetischer Sicht – schadhaft.
    - Michael M. Kaback, Genetiker an der Universität von San Diego, zitiert in Scientific American, 1994
     
     
    »Mel«, sagte Joe Krovetz am Telefon, »sperren Sie Ihre Tür auf, ich komme rüber.«
    Melanie warf einen schläfrigen Blick auf ihre Uhr. »Herr im Himmel, Krovetz, es ist Viertel nach sechs!«
    »Ich weiß. Aufstehen.« Er legte auf.
    Melanie tastete nach ihrem Morgenmantel und stolperte zur Tür. Was, zum Geier, hatte dieser verdammte Krovetz um sechs Uhr fünfzehn morgens für sie? Es sollte sich besser um einen besonderen Happen handeln, sonst würde sie ihm seinen jungen Arsch aufreißen! Es sollte sich am besten um irgendeinen genetischen Hinweis handeln, daß Plasmodium reading tatsächlich gentechnisch hergestellt war … Mit einem Mal fühlte sie sich viel wacher. Auf dem Weg vom Bett zur Tür schaltete sie den Brenner unter dem Teekessel ein.
    Als sie die Kette aushakte und die Tür entriegelte, stand Krovetz bereits davor, eine Zeitung unter dem Arm. Er marschierte wortlos zur Kochnische, prüfte die Flamme unter dem Teekessel und packte Melanie dann fest an beiden Schultern.
    »Hören Sie mir zu, Mel. Das FBI hat einen Verdächtigen. Ich sage es Ihnen jetzt, damit Sie nicht in Rage kommen, wenn Farlow es bei der heutigen Konferenz

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