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Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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unrecht, unrecht, unrecht! Und dennoch hatte sie recht. Etwas in ihr verschmolz, kristallisierte, etwas so Altes, daß es nicht einmal von ihr selbst stammte … Sie hatte es von ihren Eltern geerbt, und die hatten es von den ihren und so weiter, immer zurück bis zum Sockel bei der Versteigerung, zum Sklavenschiff, zum gleichgültigen Wegwerfen von Menschenleben, weil es sich tun schwarzes Leben handelte … Das kristallisierte Etwas bohrte sich in ihr Inneres, scharf und heiß wie glühende Brandeisen, und sie rang nach Atem.
    »Nur ruhig«, sagte Joe, »nur ruhig, Mel.«
    »Es ist nicht wahr. Es ist nicht wahr.«
    »Vielleicht nicht.«
    »Vielleicht? Sie sagen … die sagen … sagen …«
    Die Teekanne pfiff. Joe ging zur Kochnische und goß Pulverkaffee auf. Als er Melanie eine Tasse voll reichte, schluckte sie ihn schwarz und spürte kaum, wie kochend heiß er war. Krovetz wartete.
    »Entschuldigen Sie, Joe«, flüsterte sie, als sie ihre Stimme wieder fand. »Ich kann es einfach …« Einfach was? Ich kann es einfach nicht mehr ertragen.
    »Darum wollte ich es Ihnen vorher sagen, allein. Damit Sie den ersten Schock in Ruhe verarbeiten können. Denn, Mel, wenn Sie sich bei der Konferenz so aufführen, dann zieht Farlow Sie von diesem Projekt ab. Das wissen Sie. Er mag keine Leute, von denen er denkt, sie könnten bei den Untersuchungen nicht objektiv sein. Und wenn Sie abberufen werden, können Sie niemandem mehr helfen.«
    Er hatte recht. Melanie hielt sich daran fest wie an einem Rettungsanker: Wenn sie auch nur im entferntesten den Eindruck erweckte, aufgewühlt oder unsachlich zu reagieren, würde Farlow sie von dem Projekt abziehen. Und dann konnte sie niemandem mehr helfen. Joe hatte absolut recht.
    Sie nahm einen Schluck Kaffee.
    »Schon besser«, sagte Joe ruhig. »Sie sollten sich jetzt anziehen. Jetzt müßte Farlow wegen der Konferenz jeden Moment anrufen, bevor noch jemand zur Außenarbeit aufbricht oder on-line geht.«
    »Okay.« Nach eine Minute war sie in der Lage hinzuzufügen: »Danke.«
    »Wir brauchen Sie, Mel«, sagte Krovetz. »Denken Sie daran, die Tür zu versperren, wenn ich draußen bin.«
     
    Die Besprechung in der Dienststelle Baltimore brachte drei Überraschungen. Für Cavanaugh waren es drei Schocks.
    Zu Beginn des Meetings erklärte Dunbar in aller Deutlichkeit, daß niemand beim FBI Libby Turner von der Sun einen Wink gegeben hatte, was die Beschattung Donohues betraf. »Wir haben das heute früh nachgeprüft. Von der Observation hat die Turner genau so erfahren, wie sie behauptet: indem die Sun- Leute sich an die Fersen der als Überwacher abgestellten Agenten hefteten. Unangenehm, aber nicht zu ändern.«
    Darin lag noch keine Überraschung. Dunbar, der Mann der Vorschriften, war ärgerlich, aber nicht wütend. Reporter waren nun mal Reporter.
    »Außerdem möchte ich klarstellen, daß die Beobachtung Michael Donohues durch das FBI keinesfalls ein Nachlassen bei allen anderen Aspekten der Ermittlungen bedeutet. Die möglichen nationalen und internationalen Verbindungen, die radikalen Kreise, die Gentechnikfirmen – in all diese Richtungen muß weiterhin sorgfältigst untersucht werden. Ist das allen klar?«
    Anscheinend war es das; keiner rührte sich. Und niemand sah überrascht drein. Die Männer und Frauen rund um den Konferenztisch beugten sich trübsinnig über ihre Kaffeetassen. Einige Mitglieder des Teams fehlten. Vermutlich mit Recherchen beschäftigt, dachte Cavanaugh, ausgenommen die Pressesprecher, die sich sicher hektisch bemühten, mit all den Anrufen von Printmedien, sowie Radio- und Fernsehanstalten fertigzuwerden.
    »Drittens – und das kommt geradewegs vom Direktor –: keiner, absolut keiner redet über diesen Fall mit irgend jemandem außerhalb des FBI. Keiner. Über gar nichts. Auch nicht darüber, wie entschlossen das FBI ist, diesen Fall schnellstens zu lösen. Der einzig erlaubte Kommentar ist ›kein Kommentar‹. Der Direktor hat mich persönlich gebeten, Sie alle daran zu erinnern, daß nach den im vergangenen Jahr herausgegebenen neuen Dienstvorschriften die nicht autorisierte Weitergabe interner Belange ausnahmslos einen Verweis, eine Suspendierung ja selbst eine Entlassung aus den Diensten des FBI nach sich zieht.«
    Harte Bandagen. Aber auch nicht überraschend. Libby Turner war nur das Vorspiel zu dem Kampf in der Medienarena, zu dem gerade vor dem Hoover-Building geblasen wurde. Nun gut, mochten die Spiele beginnen.
    Dann kam der erste Löwe

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