Moskito
in die Arena.
»Das Dossier, das ich jetzt verteile«, sagte Dunbar, »enthält alles, was wir zu diesem Zeitpunkt über Michael Sean Donohue wissen. Der Turner-Artikel stimmt in dieser Hinsicht. Doch darüber hinaus gibt es zwei wichtige Fakten, von denen die Presse bisher nichts weiß. Erstens haben wir eine Akte über Donohue aus dem Jahr 1984, als er in Boston arbeitete, und zwar im Zusammenhang mit der Irisch-Republikanischen Armee. Das Beweismaterial ist karg, und es kam nie zu einer Anklage, doch damals hielten es unsere Leute in Boston jedenfalls für ausreichend, um eine Akte anzulegen.«
Die Agenten um den langen Tisch verloren ihre trübsinnigen Mienen und richteten sich gerade auf. Cavanaugh auch. Die IRA! Aber das ergab keinen Sinn. Nie hatte es zwischen Iren und Schwarzen ernsthafte Zwistigkeiten gegeben, weder in Amerika noch sonstwo. Und wäre es der IRA irgendwann gelungen, an etwas wie einen genmanipulierten Parasiten für eine Stechmücke heranzukommen – oder ihn selbst zu entwickeln –, dann würde mittlerweile halb London mit Schlafkrankheit darniederliegen. Oder mit Denguefieber. Oder mit irgend etwas anderem, was das feuchtkalte britische Klima überstand.
Nur die Agenten von Abteilung Fünf zeigten keinerlei Überraschung; anscheinend war ihnen die Verbindung Donohues zur IRA bereits bekannt. Eine junge Agentin, die Cavanaugh nicht kannte, platzte heraus: »Aber warum will die IRA …«
»Wir wissen nicht, was sie will!« schnitt ihr Dunbar schroff das Wort ab – die erste Unterbrechung seiner beherrschten Förmlichkeit. »Bitte denken Sie daran, Agentin McDougal, daß das, was Sie in Händen halten, eine Vorabinformation über einen Verdächtigen darstellt und keinen endgültigen Ermittlungsbericht.«
Agentin McDougal errötete und hob die Kaffeetasse an die Lippen. Cavanaugh fragte sich, wie viele Besprechungen wohl ins Land gehen würden, ehe sie wiederum das Wort ergriff. Im Grunde mochte Dunbar keine Anfänger bei seinen Fällen, obwohl ihm doch klar sein mußte, daß sich die Leute ihr Wissen ja irgendwo anzueignen hatten. Felders hingegen waren Anfänger immer äußerst willkommen; er schätzte ihre frische Sichtweise. Wieder einmal vermißte Cavanaugh Felders sehr.
»Und wenn Sie nun«, fuhr Dunbar fort, »die letzte Seite Ihrer Unterlagen aufschlagen, haben Sie eine weitere entscheidende Information über den Verdächtigen – eine möglicherweise äußerst explosive Information. Michael Sean Donohue ist zu drei Viertel irischer Abstammung, zu einem Achtel deutscher und zu einem Achtel schwarzer.«
Cavanaugh hielt den Atem an. Da stand es, auf der letzten Seite: Urgroßmutter mütterlicherseits Fleur D’Orsay, geboren 1874, Eltern freigelassene Sklaven; 1903 in New Orleans, Louisiana, Heirat mit Hans Pfeiffer nach zehnjährigem eheähnlichem Zusammenleben.
»Inwieweit kann diese Information der Presse zugänglich gemacht werden?« erkundigte sich Agentin McDougal und zeigte damit Cavanaugh, daß er sie unterschätzt hatte. Es zeigte auch, wie wenig er von Frauen verstand.
Frauen. Marcy. Judy.
Dunbar sagte: »Die Familiengeschichte kann von jedermann in den staatlichen Archiven eingesehen werden, also werden wir sie wohl schon in den Achtzehn-Uhr-Nachrichten hören. Die Verbindungen zur IRA hingegen sind unseres Wissens nach nur dem FBI und der CIA bekannt. Wahrscheinlich wird … Agent Cavanaugh, haben Sie etwas hinzuzufügen?«
»Nein«, sagte Cavanaugh und gab sich Mühe, sich schleunigst des Gesichtsausdrucks zu entledigen, der Dunbars Aufmerksamkeit erregt haben mochte – Marcy, Judy –, »nein, ich … nein.«
»Nun ja, das ist schade, weil ich Sie von den Radikalen im Süden Marylands abziehe und zum Observierungsteam Michael Donohues versetze.«
Das war die zweite Überraschung. Und nicht nur für Cavanaugh. Kurze Blicke flogen zwischen den Agenten hin und her, ehe sich alle wieder in Donohues Lebensgeschichte vertieften. Und dann plötzlich fiel es Cavanaugh wie Schuppen von den Augen.
Dunbar wollte ihn an einem Platz, wo er keine Fragen aufwerfen würde, an die niemand offen rühren wollte. Und welcher Platz war besser als das Überwachungsteam? Cavanaugh würde sich ununterbrochen in Gesellschaft einspurig denkender, phantasieloser Agenten mit hohem Testosteronspiegel und geringen Selbstzweifeln befinden – in Gesellschaft von typischen Observierungsbeamten eben. Sie würden Cavanaugh in ihre Mitte nehmen und ihn neutralisieren. Und da die Presse nach
Weitere Kostenlose Bücher