Moskito
wie vor die Schatten beschatten würde, mußte der Maulkorberlaß ab nun in ihren Hirnen allgegenwärtig sein, und Cavanaugh würde gegen Mauern anrennen, wenn er irgend jemandem irgendwelche unbotmäßigen Fragen stellte. Zu alldem kam, daß er der jüngste Zugang beim Beobachtungsteam sein würde. Er würde keinerlei offizielle Berichte schreiben; er würde das fünfte Rad am Wagen sein.
»Ich meine, vielleicht …«
»Das wäre alles, Leute«, sagte Dunbar zackig, und das Scharren der Stühle und das Gemurmel der Stimmen übertönten alles, wozu Cavanaugh angesetzt hatte.
Nicht, daß er gewußt hätte, was das sein sollte. Ein Einwand gegen das, was Dunbar, der Mann der Dienstvorschriften, beschlossen hatte, war das Äquivalent eines Einwandes gegen die kosmische Ordnung. Nichtsdestoweniger machte Cavanaugh den Versuch.
»Jerry, ich weiß es zu schätzen, daß Sie mich näher an das Zentrum des Falles heranbringen wollen, da er ja Ausgang genommen hat in meinem Zuständigkeitsbereich und …«
»In Setons Zuständigkeitsbereich«, korrigierte Dunbar nachdrücklich.
»Ja. Klar. Aber obwohl ich es zu schätzen weiß, muß ich sagen, daß es ein paar Hinweise gibt, denen ich wirklich gern nachgegangen wäre, und vielleicht könnte die Versetzung zum Überwachungsteam …«
»Übergeben Sie die Hinweise an McDougal. Bis jetzt haben sie ja nach Ihren eigenen Berichten absolut nichts Brauchbares ergeben, also wird es eine gute Gelegenheit für McDougal sein, sich die richtigen Techniken anzueignen.«
»Aber …«
»Sie haben doch nichts Brauchbares ergeben, oder?« fragte Dunbar. Seine grauen Augen fixierten Cavanaugh wie Stahlseile. »Und Sie selbst waren es doch auch, der behauptete, die einheimischen Radikalenvereine wären ohnehin nichts anderes als falsche Fährten.«
In der eigenen Falle gefangen.
»Das sagten Sie doch, Agent Cavanaugh, oder?«
»Ja«, seufzte Cavanaugh resigniert.
»Nun also, was wollen Sie? Melden Sie sich bei Pilozzi vom Observierungsteam. Umgehend.«
Cavanaugh antwortete nicht. Sinnlos. Er war zur Überwachung abkommandiert.
Auf dem Weg zu Pilozzi rief er Marcy im Büro an. Ihre Sekretärin sagte, sie sei in einer Besprechung. Und zu einem Anruf bei Judy konnte er sich einfach noch nicht aufraffen. Es würde ganz sicher grauenhaft sein. Judy würde weinen, er würde sich entschuldigen – und wenn er nicht ein solch jämmerlicher Wurm wäre, würde er sie persönlich aufsuchen statt einen lausigen Anruf zu tätigen, fand er. Aber wenn er dann an Marcy dachte, an ein weiteres friedliches, simples Abendessen am Couchtisch und eine weitere unverkrampfte Balgerei zur Feier des Wiedersehens im Bett, da wurde ihm klar, daß er eine persönliche Szene mit Judy einfach nicht verkraften konnte. Egal, wie sehr sie das Recht hatte, ihren Standpunkt zu vertreten. Er würde rundweg nicht in der Lage sein, dazustehen und ihrem Blick zu begegnen.
Und so machet unser Gewissen Feiglinge aus uns allen.
Er ging die Treppe hinab zu Pilozzis Büro.
Die Reporterin fing Melanie ab, als sie gerade das Haus einer Frau verließ, deren sechsjähriger Junge am Tag zuvor an Malaria reading verstorben war, und der Melanie einige Fragen gestellt hatte. »Mein Name ist Shakita Franklin, Doktor Anderson, von Radio KQLN.«
Resigniert blieb Melanie stehen; sie schwitzte unter dem dunklen Kleid und den schwarzen Strümpfen, die sie bei ihren Gesprächen mit der Familie von Verstorbenen immer trug. Trauerkleidung. Es war wenig genug, was man tun konnte, um die Gefühle der Hinterbliebenen zu respektieren.
»Ich weiß, daß es ein schwieriger Zeitpunkt ist, um Ihnen Fragen zu stellen, aber KQLN wäre sehr dankbar für einen Kommentar von einem von uns, der echten Einblick in die Untersuchungen hat.«
»Einem von uns.« Aus dem Mund der kleinen Schwarzen mit den unzähligen Zöpfchen flach am Kopf klang es nicht anmaßend sondern realistisch.
»Nur zu«, sagte Melanie.
»Vielen Dank, Doktor Anderson. Darf ich mitschneiden?«
»Nur zu.«
»Sie haben sicher gehört, daß die Baltimore Sun in der Malaria-reading-Sache einen Verdächtigen identifiziert hat und ihn rund um die Uhr beobachtet.«
»Das hat inzwischen wohl die ganze Welt gehört.«
Shakita ließ sie nicht aus den Augen. »Ja. Und Sie wissen auch, daß dieser Verdächtige zum Teil schwarzer Abstammung ist.«
Melanie fragte nicht, wieso das Mädchen davon wußte, noch ehe es in den 18-Uhr-Nachrichten erwähnt wurde. In der Welt der Reporter
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