Motte Maroni - Flossen des Grauens
„Kann nicht ausschließen, dass es sich um Hai handelt, der Haie isst!”
Was befürchtet wurde, ist eingetreten! Wie uns der extra aus der Bundeshauptstadt Wien angereiste Hai-Experte Professor Doktor Anselm Maroni exklusiv bestätigt hat, treibt in unserem schönen einheimischen Neusiedlersee ein ausländischer Haifisch sein Unwesen! Es handelt sich dabei offenbar um einen aus dem Osten zugewanderten Riesen-Hai, der es auf unsere braven einheimischen Fische abgesehen hat! Badegästen, die sich im Wasser befinden, wird dringend geraten, das Wasser zu verlassen.
Die Polizei hat nichts Besseres zu tun, als den Informationsfluss zu behindern. Was muss denn noch alles geschehen, damit endlich einmal was passiert? Sind wir noch zu retten? Man wird sehen, und zwar exklusiv im Podersiedeler Morgenboten, Ihrer Stimme für Podersiedel!
Hunger
Die alte Frau Krautinger ist sehr froh, dass es das Tier gibt. Das Tier ist zutraulich, man kann mit ihm plaudern und es füttern. Das Tier ist fast so lieb wie die Tauben im Park, wenn auch die Tauben schönere Geräusche machen. Aber man kann halt nicht alles haben. Auch ist das Tier sehr wählerisch, was sein Futter angeht. Es frisst kein altes Brot, so wie die Tauben im Park, es muss schon etwas „Kräftigeres“ sein. Im Lagerhaus hat es Futter im Sonderangebot gegeben, leider nur in einem 25-Kilo-Sack, der aber recht günstig war, viel günstiger als das Fischfutter in der Tierhandlung.
Den Sack mit der Aufschrift „Ferkelstarter“ hat Frau Krautinger sich nach Hause liefern lassen. „SchüsslersNutschofant Ferkelstarter – Kraftfutter für Ferkel!“, steht darauf geschrieben. „So werden auch aus Ihren Ferkeln richtige Säue! Schüsslers Nutschofant Ferkelstarter – Wer, wenn nicht er?“
Seit zwei Wochen gibt sie dem Tier täglich eine ordentliche Portion aus. Um nicht (wie im Park beim Taubenfüttern) von Passanten angefeindet zu werden, hat sie den Sack per Fahrradanhänger zu einem versteckten Steg mitten im Schilfgürtel geführt. Und das Tier kommt pünktlich auf die Minute und holt sich seine Ration ab. Das Futter schmeckt ihm sehr gut. Es wächst und gedeiht, so wie die Enkelkinder der Frau Krautinger, nur ein wenig schneller.
Wie jeden Abend steht Frau Krautinger in ihrem grell geblümten Sommerkleid und mit dem breitkrempigen Sonnenhut auf dem Steg. Sie wartet, bis die untergehende Sonne den See in dieses unvergleichlich orangegoldene Licht taucht. „Warum gibt es kein ‚Seeglühen‘, wenn es ein ‚Alpenglühen‘ auch gibt?“, fragt sie sich zum wiederholten Mal und beschließt, beim Heimkommen ihren Mann zu fragen. Der weiß immer alles ganz genau. Sie wartet, bis sich die Möwen kreischend verzogen haben, dann beginnt sie das Tier anzulocken: „Gruugruuu, Hansiburli, kommkommkomm, puttputtputtputt!“ Gleichzeitig schöpft sie mit der linken Hand Ferkelstarterfutteraus dem Sack und verteilt es großzügig vor dem Steg im See.
Nun ist das Wasser ganz glatt. Es ist still. Kein Frosch quakt, kein Wasservogel kreischt, nichts ist zu hören.
Nur das Schilf bewegt sich leise. „Haaansiiibuuurliii, na, wo isser denn?“, flötet Frau Krautinger fröhlich. Endlich entdeckt sie den torpedoförmigen Schatten, die gezackte dreieckige Rückenflosse, die die Wasseroberfläche durchstößt. „Daaaaaa iiiiiiiis eeeer jaaaaa!“, freut sich Frau Krautinger und legt ordentlich Futter nach. Der eindrucksvolle dreieckige Schädel taucht halb aus dem Wasser, um die Wasseroberfläche abzugrasen, auf der das Futter schwimmt. Krachend zermahlt das mit spitzen Zähnen bewehrte Maul das Futter. Die Schwanzflosse peitscht aufs Wasser. So hektisch frisst das Tier, dass das Sommerkleid der Frau Krautinger einige Spritzer Wasser abkriegt. „Huiiiii, Haaaansiiibuuurli, du Lauser!“, kichert sie und streut weiter Futter ins Wasser. Der Neusiedlersee scheint zu brodeln. Frau Krautinger freut sich, dass es dem Tier so gut schmeckt. „Ja, die Viecherln, die merken es halt, wenn man ein guter Mensch ist!“, denkt sie sich und beobachtet glücklich das Tier in seiner Fressraserei. Als die Schüssel leer ist, streckt Frau Krautinger die Hand in Richtung Wasseroberfläche. „Haaansiiiburliii!“, gurrt sie. Der Kopf des Tieres taucht vor dem Steg auf. FrauKrautinger krault das lange, flache Maul. Das Tier grunzt und verschwindet im See. Ein paar Blasen steigen auf, und dann ist die Wasseroberfläche wieder spiegelglatt. „Bis morgen, Hansiburli!“, trällert Frau
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