Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mottentanz

Mottentanz

Titel: Mottentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Weingarten
Vom Netzwerk:
örtlichen Friseursalon, der eine Frau mit einem Haufen Folie auf dem Kopf zeigt, in der wir die Kassiererin aus der Drogerie wiedererkannten. Aber unsere absolute Lieblingswerbung war der ziemlich dämliche zehnsekündige Spot für »Covered Wagon Shipping«, in welcher ein Lkw-Fahrer in einem merkwürdig antiquierten Dienstbotendress sagt: »Was immer Sie verschifft haben möchten, ich werde es persönlich von hier um die Ecke« — Einblendung von ihm, wie er den Truck über eine Straße fährt – »durchs ganze Land transportieren. So weit sie gehen können! « Schnitt zu ihm, wie er an einer Schautafel vorbeifährt, auf die jemand mit orangefarbenem Filzstift Willkommen
in San Francisco geschrieben hat. Nina und ich liebten diese Werbung total und für uns wurde sie ein Running Gag. Über Jahre hinweg musste nur eine von uns sagen: »Ich gehe jetzt so weit ich kann!«, und die andere lachte sich schlapp.
    Ich kann mir gut vorstellen, wie die Leute von Monster Hands Nina fragten, wo sie hinwollte, und Nina diese Zeile rezitierte. Vielleicht lachte sie auch ein bisschen in sich hinein. Vielleicht dachte sie an mich, als sie das tat. Für eine Sekunde lächle ich, nur für eine Sekunde, bevor mir klar wird, dass es jetzt kein Triumph mehr ist, den Songtext zu verstehen. Dies ist nicht der nächste Hinweis. Dies ist überhaupt nichts.
    Ich schaue rüber auf den leeren Parkplatz. Sämtliche Motelzimmer sind dunkel. Ich drücke die Songtexte an meine Brust. Hier draußen ist es so still. Ich fühle mich wie der einzige Mensch auf der ganzen Welt.
    Doch die Stille wird unterbrochen von einem Summen, welches von etwas unter den Autositzen kommt. Ich beuge mich vor. Ein kleines rotes Licht blinkt zwischen den Sitzen. Seans Handy. Ich greife danach und hebe es auf. Es ist 3.16 Uhr in der Frühe. Unbekannt blinkt auf dem Bildschirm. Wahrscheinlich wieder eine dieser falschen Nummern.
    Ich bin plötzlich von solch tiefer Wut auf den Anrufer erfasst – wer auch immer es ist –, weil er mich unterbrochen hat, weil er am Leben ist und Nina nicht. Ich gehe ran. »Sie hat Ihnen eine falsche Nummer gegeben«, sage ich. »Wen auch immer Sie anzurufen glauben, Sie werden sie nicht finden. Das hier ist SEANS HANDY«, sage ich. »Sean.
Ein Junge.« Ich halte inne. »Sie kennen ihn nicht!« Mein Herz klopft. Keine Antwort. »Hallo?« Ich höre jemanden am anderen Ende atmen. Und dann höre ich eine Stimme, sehr leise, kaum mehr als ein Flüstern.
    »Du musst von ihm weg, es ist da nicht sicher für dich.«
    Mein Herz fängt an zu rasen. Das ist ganz offensichtlich nur eine falsche Nummer, irgendein blödes Kind, das wahrscheinlich einen Streich spielen will. Oder vielleicht ist Amanda irgendwie hierbei involviert.
    »Wer ist da?«, frage ich. Aber die Person hat bereits aufgelegt. Ich will nicht mehr auf diesem Parkplatz im Dunkeln sein. Ich lege das Handy auf den Sitz neben mich. Ich will es nicht anfassen. Ich will nur wieder zurück ins Motel. Ich habe Angst.
    Etwas pocht ans Fenster. Ich drehe mich nach rechts. Eine Hand. Große Augen. Ein Gesicht. Das ist ein Gesicht, jemand beobachtet mich durch das Fenster. Ich öffne den Mund und schreie.
    Die Tür öffnet sich und zwei starke Arme umschlingen mich.
    »Hey, hey, hey, hey, es ist okay, Baby.« Es ist Sean. »Ich bin’s nur. Ich bin’s nur.« Er wiegt mich hin und her. »Ich bin aufgewacht und du warst nicht da.«
    »Ich konnte nicht schlafen«, sage ich.
    »Was machst du hier draußen?«, fragt er.
    »Ich wollte die Monster-Hands-Platte sehen«, sage ich. »Ich hatte dieses Gefühl, dass ich sie anschauen müsste, um…«
    »Oh Ellie.« Seans liebes Gesicht legt sich in besorgte Falten. Er schüttelt den Kopf.

    »Aber du verstehst nicht«, sage ich. Ich schaue runter auf die Songtexte in meinem Schoß. »Ich weiß, wo sie hinwollte. Dieser Song ist über sie. Und dieser Teil, bei dem es darum geht zu gehen, so weit man kann, da geht es um San Francisco. Es ist ein Witz, den wir uns ausgedacht hatten, als wir noch klein waren. Dorthin wollte sie gehen. Dort wäre sie jetzt, wenn sie nicht…« Meine Stimme verstummt. Ich kann mich nicht dazu bringen, es auszusprechen.
    »Ich glaube, es ist an der Zeit loszulassen«, sagt Sean. »Es ist Zeit loszulassen.«
    Seans Handy vibriert erneut. Er schnappt es sich vom Sitz weg und drückt die Ignorieren -Taste. Er lässt das Handy in seine Hosentasche gleiten. Und dann nimmt er meine beiden Hände in seine und hebt sie hoch gegen

Weitere Kostenlose Bücher