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Mottentanz

Mottentanz

Titel: Mottentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Weingarten
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du okay?«, fragt Sean.
    »Ja«, sage ich. Ich stecke die Tomate in den Mund und kaue auf dem kalten Fleisch herum. Fleisch. Ich würge wieder. Ich schmecke Galle. Sean steht hinter mir und schaut mich an. Er legt mir die Hand auf die Schulter.
    »Ich verstehe das«, sagt er. »Ich konnte nach dem Tod meines Bruders fast einen Monat lang nichts essen. Aber du wirst dich danach wirklich besser fühlen.« Ich nicke. Meine Gedanken wirbeln durch meinen Kopf und werden immer schneller, als ich mich an alles erinnere, was er gesagt hat. Dinge, die er getan hat, die ich jetzt alle auf ganz neue Art verstehe.
    »Es ist schwer«, sage ich.
    »Ich weiß, Baby.« Sean streicht mir übers Haar. »Ich bin so froh, dass ich für dich da sein kann. Ich bin so froh, dass ich da bin.« Er kauert sich neben mich, so dass sein Kopf mit meinem auf einer Höhe ist, nimmt mein Gesicht in beide Hände und zwingt mich, ihn anzusehen. »Du bist ab jetzt in meinem Herzen, Ellie.« Er sieht mir in die Augen. »Und zwar
für immer.« Er beugt sich zu mir, sein Atem ist heiß auf meinem Gesicht. Und dann, ich kann nichts dagegen tun, zucke ich ein bisschen zusammen.
    Er weicht zurück. »Oh Gott«, sagt er. Er hebt die Hand an den leicht geöffneten Mund. »Wie du mich gerade angesehen hast.« Er steht auf und taumelt zurück. »Du weißt es.«
    »Was?« Ich schüttele den Kopf. »Wovon sprichst du?«
    »Du weißt es«, sagt er.
    Sein Gesicht verändert sich nun wie in Zeitlupe. Seine Mundwinkel senken sich, sein Mund geht auf und zu, auf und zu… Er blinzelt, seine Augen verdüstern sich. Es ist zu spät. Es ist zu spät.
    »Nein, nein nein nein nein nein nein«, sagt er. »Oh Gott, ich bin so dämlich. Ich hätte es wissen sollen… du bist angezogen ins Badezimmer gegangen, aber als ich wieder kam, lagen deine Kleider im Zimmer herum. Und du hattest die Tür abgeschlossen und…« Er geht langsam zum Schrank, greift zwischen die Decken und holt die Tasche heraus. »… und dies sind nicht die Buchstaben, auf denen das Schloss stand.« Er starrt mich an. Ich starre auf den schlaffen Salat, die geschwollenen Tomaten. »Weißt du, woher ich das weiß?« Er wartet auf eine Antwort, aber ich bleibe stumm. »Weil ich das Schloss auf Ellie eingestellt hatte.«
    Ich höre, wie Sean leise über den Teppich geht. Sich mir nähert.
    Ich sollte aufstehen. Ich sollte rennen. Aber ich bin zur Salzsäule erstarrt.
    Ich spüre seine Hand auf der Schulter. Mein Magen rutscht mir in die Knie.

    Es ist zu spät. Er dreht mich im Stuhl herum, beugt sich vor, nimmt mich in die Arme und drückt mich ganz fest, ganz fest. Er zieht mich vom Stuhl, bis wir einander gegenüber kauern. Es tut weh, so fest hält er mich.
    »Oh Ellie«, sagt er über meine Schulter. Es klingt, als weine er. Ich spüre, wie er zittert. Er streicht mir grob übers Haar. »Liebst du mich, Ellie?«
    Ich schlucke. »Natürlich«, zwinge ich mich zu sagen. Mein Herz klopft so heftig, dass ich es in meinem gesamten Körper spüre.
    Er drückt unsere Gesichter in der Parodie eines Kusses zusammen. Seine Tränen laufen meine Wange hinunter.
    »Nein, das tust du nicht.« Er lehnt sich zurück.
    »Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, sage ich. »Natürlich tue ich das.« Aber sogar für mich klingt das wie eine Lüge.
    »Es ist so unfair! So unglaublich, schrecklich furchtbar unfair. Ein Fehler! Ich mache einen Fehler in meinem Leben und er ruiniert alles! Und das Komische an einem solchen Fehler ist, dass du ihn nicht wiedergutmachen kannst, selbst wenn du es willst. Du kannst ihn nie wiedergutmachen. Und das Schlimmste ist, es war nicht einmal meine Schuld! Nina hat mich dazu gebracht, es für sie zu tun. Ich wollte es nicht tun. Sie hat mich dazu gebracht zu glauben, dass ich es tun muss! Ich habe sie geliebt und das wusste sie, und ich wusste, dass sie mich auch liebt. Das hätte sie gekonnt, wenn sie es zugelassen hätte. Aber dann war er nicht mehr da und sie wollte immer noch nicht mit mir zusammen sein!« Seine Augen füllen sich wieder mit Tränen. »Sie hat mich reingelegt!«

    Er beißt die Zähne zusammen, eine Ader pulsiert an seiner Schläfe.
    »Es wird alles gut«, sage ich.
    »Nein«, sagt Sean. Eine Träne fließt aus seinem linken Auge und läuft zu seinem Kinn. »Das wird es nicht.« Er umrundet mich und packt meine Handgelenke. »Ich will das nicht tun.« Er schreit erstickt. »Du musst wissen, dass ich das wirklich, wirklich nicht tun will.«
    Er drückt mich nach vorne und

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