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Mottentanz

Mottentanz

Titel: Mottentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Weingarten
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Wangen. Er holt tief Atem. »Die Version meines Dads lautet, dass ich, als die Polizei uns endlich gefunden hatte, zusammengerollt auf dem Rücksitz lag, völlig eingeschüchtert, voll mit Eiscreme. Das ist aber einfach nicht das, woran ich mich erinnere. Ich glaube tatsächlich, es ist wahrscheinlich meine Lieblingserinnerung an meine Mom.« Sean dreht sich zu mir und lächelt. »Sieht so aus, als hätten wir auch nicht so gut gepackt, wenn man drüber nachdenkt. Aber alles, was wir brauchen, können wir auch dort bekommen, sobald ich herausgefunden habe, wohin wir… Hey, weißt du, was wir machen sollten? Wir sollten einen ausgedehnten Einkaufsbummel machen, nachdem…« Sean schweigt und greift nach seinem Kaffee. Er dreht sich zu mir und lächelt dieses süße Schäfchenlächeln, als wäre ihm das, was wir vorhaben, nur ein kleines bisschen peinlich.
     
    Die Sonne steht nun hoch am Himmel und die Straße ist voll mit anderen Autos. Keine Gespräche mehr, es wird nur
noch gefahren. Sean hat eine Hand auf meinem Knie, als wollte er sichergehen, dass ich noch da bin, und verhindern, dass ich wegfließe.
     
    Es wird gesagt, dass es, ganz egal, was das Leben dir hinwirft, immer eine Lektion zu lernen gibt, und ich habe mit Sicherheit in den letzten acht Stunden einige wichtige Dinge gelernt, während wir auf der Straße waren, so zum Beispiel, wie genau es sich anfühlt, den schöneren Teil eines Tages in einem Volvo mit zusammengeklebten Handgelenken zu verbringen, und ich bin, wie sich herausstellte, in der Lage, auch mit diesem Handicap meine Hose herunter- und wieder hinaufzuziehen, um aufs Klo zu gehen. Auch habe ich gelernt, dass ich die wahrscheinlich talentierteste Schauspielerin bin, die die Welt jemals kannte. Zu schade, dass meine beste und einzige Darbietung in einem Auto vor einem einzigen Zuschauer stattfindet.

    Die Sonne geht nun unter. Bei einem ewig langen Straßenabschnitt, bei dem auf beiden Seiten hüfthohes Gras wächst, das seit Jahren nicht mehr angerührt wurde, fährt Sean rechts ran. »Bin gleich zurück«, sagt er. Er steigt aus dem Auto, läuft fünfzehn Meter in die Mitte des Feldes und hält die Waffe hoch über seinen Kopf. Es gibt einen lauten KNALL . Er hallt wider. Ein winziger Hauch von Rauch steigt von der Mündung der Pistole zum Himmel hinauf. Sean läuft zurück zum Auto, steigt ein und schließt die Tür.

    »Wollte nur sichergehen, dass sie auch funktioniert«, sagt er.
    Sean startet wieder den Wagen. Bald sind wir da.

    Ich schaue aus dem Fenster in den frühen Nachmittagshimmel auf die schnappenden roten Kabel der Golden Gate Bridge, beleuchtet von Tausenden winziger Lichter und dem funkelnden Ozean darunter. Es sieht wie eine Postkarte aus, das, woran wir gerade teilnehmen.
    »Es ist wunderschön«, sage ich.
    »Absolut«, sagt Sean, die Anspannung ist in seine Stimme zurückgekehrt. Liegt vielleicht an den neun XXL-Eiskaffees. Vielleicht dringt auch endlich das, was er vorhat, ins Bewusstsein. »Haight Street?«, fragt Sean. »Das ist der Ort, von dem du gemeint hast, dass wir dort…« Sean bricht ab. In den letzten zwölf Stunden ist er nicht ein einziges Mal auf das eingegangen, was wir hier vorhaben. »Das ist der Ort, an den wir deiner Meinung nach gehen sollten?« Er dreht sich zu mir um.
    Meine Organe, meine Knochen, alles in mir, hat sich in einen Tümpel aus geschmolzener, heißer, flüssiger Panik aufgelöst. Ich lächle dennoch ruhig. »Oh ja«, sage ich. »Haight Street, da bin ich mir sicher.«
    Sean greift in seine Hosentasche, dann hinter sich in seinen Sitz, dann lehnt er sich nach vorne und steckt seine Hand zwischen den Sitz und die Tür.
    »Alles klar?«
    »Jaaaa«, sagt Sean langsam. »Ich versuche nur, mein Handy zu finden, und bin mir nicht sicher, wo es ist.«

    »Wie verrückt«, sage ich. »Ich hoffe, du hast es nicht im Motel liegen lassen.«
    »Das hoffe ich auch«, sagt Sean. »Ich frage mich, was damit passiert ist?«
    Ich zucke die Achseln. »Das wird wohl ein Geheimnis bleiben. « Ich schließe die Augen und stelle mir das Handy vor, genau dort, wo ich es zurückgelassen habe. Und ich muss mein Gesicht zum Fenster drehen, weil es mir in diesem Moment unmöglich ist, nicht zu lächeln.

Kapitel 40

    Für jeden anderen hier draußen sind wir nur ein weiteres junges Pärchen, das einen Nachmittagsbummel auf der Haight Street genießt. Niemand kann die geladene Kanone sehen, die in der Vorderseite von Seans Jeans versteckt ist. Und die roten

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