Mount Dragon - Labor des Todes
ungläubig den Kopf. »Gibt es denn nichts, womit man die Wirkung dieser Neurotransmitter wieder aufheben könnte?«
»Schwer zu sagen. Man könnte es mit einem Dopaminrezeptorantagonisten wie Chlorpromazin versuchen oder mit Imipramin, das den Transport von Serotonin blockiert. Bei so hohen Spiegeln wie diesen wird das allerdings kaum etwas bewirken. Wir wissen ja nicht einmal, ob der Prozeß, den PurBlood auslöst, überhaupt umgekehrt werden kann. Und selbst wenn das ginge, müßte ein ausreichender Vorrat an diesen beiden Medikamenten vorhanden sein, außerdem müßten wir einen Weg finden, sie sämtlichen Beschäftigten hier zu verabreichen.« Carson starrte immer noch mit einer Mischung aus Faszination und Grauen auf den Bildschirm. Dann griff er entschlossen nach der Tastatur, kopierte die Daten auf die Festplatte des Terminals und verließ das Programm.
»He, was machen Sie da?« zischte de Vaca ihn böse an. »Wir haben genug gesehen«, entgegnete Carson. »Denken Sie dran, daß Scopes selbst einer der Beta-Tester war. Wenn er uns dabei erwischt, wie wir hier herumstöbern, sind wir geliefert.« Er loggte de Vaca aus dem Netz und gab sein eigenes Paßwort ein. Während der Einlogsequenz holte er zwei beschreibbare CDs aus seiner Jackentasche.
»Ich war vorhin in der Bibliothek und habe mir die wichtigsten Daten auf diese CDs kopiert: das Video, die Bilder der filtrierten und unfiltrierten Eiweißmoleküle, meine Aufzeichnungen über X-FLU und Burts Arbeitsnotizen. Jetzt werde ich noch die Tabelle dazukopieren, die wir eben gesehen haben, und...«
Er hörte mitten im Satz zu reden auf und starrte auf den Bildschirm.
Guten Abend, Guy Carson. Sie haben 1 neue Nachricht.
Rasch holte sich Carson die elektronische Mitteilung auf den Bildschirm.
Ciao, Guy.
Sie haben heute am frühen Morgen so gigantisch viel Rechenzeit mit dem Molekülmodellierungsprogramm verbraten, daß es meiner Aufmerksamkeit einfach nicht entgehen konnte. Ich finde es ja herzerfrischend. Sie zu so ungewohnter Stunde noch bei der Arbeit zu finden, aber aus ihren bisherigen Labornotizen ging nicht hervor, warum Sie das tun mußten. Da ich weiß, daß Sie ohne einen guten Grund weder Ihre noch meine Zeit vergeuden würden, frage ich mich natürlich, ob Sie womöglich kurz vor einem Durchbruch stehen. Ist dem so? Ich würde mich ja so freuen, und zwar für uns beide. Sie wissen ja, daß mir hübsche Bilder von Molekülen überhaupt nichts nützen.
Was ich brauche, sind Erfolge. Inzwischen wird die Zeit dramatisch knapp. Ach ja, eines hätte ich fast vergessen: Woher kommt Ihr plötzliches Interesse an PurBlood? Ich erwarte Ihre Antwort.
Brent
»Gütiger Gott, sehen Sie sich das an«, sagte de Vaca. »Da spürt man ja fast seinen Atem im Genick.«
»Die Zeit wird dramatisch knapp, da hat er recht«, murmelte Carson. »Wenn er nur wüßte, weshalb.« Er steckte eine der CDs in den CD-Brenner des Terminals und kopierte die Daten der Rückenmarkspunktionen darauf. Als das erledigt war, rief er die Netzwerksoftware auf, mit der man Online-Unterhaltungen führen konnte.
»Sind Sie verrückt?« fragte de Vaca. »Mit wem wollen Sie sich denn jetzt unterhalten?«
»Halten Sie den Mund, und sehen Sie zu, was ich mache«, sagte Carson und tippte weiter.
Gewünschter Gesprächspartner Guy Carson®
Biomed.Dragon.GeneDyne
»Sind Sie denn jetzt auch verrückt geworden?« fragte de Vaca. »Wieso wollen Sie denn eine Online-Unterhaltung mit sich selbst führen?«
»Das ist ein Trick, mit dem ich Levine erreichen kann«, antwortete Carson. »Indem ich eine Unterhaltung mit mir selbst beantrage, starte ich ein getarntes Programm, das er in unser Netz hat einschmuggeln lassen und das mich direkt mit seinem Computer verbindet.«
»Sie haben vor, ihm die Daten über PurBlood zu schicken, nicht wahr?« fragte de Vaca.
»Genau. Er ist der einzige, der uns helfen kann.« Carson wartete und zwang sich, ruhig zu bleiben. Er stellte sich das geheime Kommunikationsprogramm vor, das sich jetzt unsichtbar durch die Tiefen des GeneDyne-Netzes hinaus zu einem öffentlichen Netzwerk wühlte, an das Dr. Levines Computer angeschlossen war. Dort würde jetzt eine Botschaft an den Professor aufblinken, falls der Computer ans Netzwerk angeschlossen war. Carson hoffte, daß Levine in der Nähe war und die Botschaft las. Nun mach schon, dachte er. Auf einmal erschienen Worte auf dem Bildschirm.
Hallo, ich warte schon lange darauf, daß Sie sich melden. Carson
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