Mount Dragon - Labor des Todes
Ranch. Mein Bruder und ich brauchten den ganzen Sommer, um sie alle zu prüfen und die Lücken zu reparieren. Das hat verdammt viel Spaß gemacht. Neben unseren Pferden hatten wir ein Maultier, das eine Rolle Draht, Klampen und Werkzeug trug und dazu noch unsere Cowboyschlafsäcke und etwas zu essen. Dieses Maultier war ein echter Hurensohn namens Bobb. Mit zwei b.« De Vaca lachte.
»Wir schliefen meistens draußen. Am Abend banden wir den Pferden so wie jetzt die Vorderläufe zusammen und suchten uns eine geschützte Kuhle, wo wir ein Lagerfeuer anzündeten und unsere Schlafsäcke ausrollten. Am ersten Abend aßen wir immer riesige Steaks, die wir, noch gefroren, am Morgen in die Satteltaschen gesteckt hatten. Die Steaks waren so groß, daß sie zur Abendessenszeit gerade erst aufgetaut waren. Vom zweiten Abend an gab es dann nur noch Reis mit Bohnen. Nach dem Essen legten wir uns auf den Rücken, schauten hinauf zu den Sternen und tranken Kaffee, bis das Feuer niedergebrannt war.« Carson machte eine Pause. Seine Erinnerungen kamen ihm wie ein halb vergessener Traum aus einem vergangenen Jahrhundert vor, obwohl die Sterne oben am Himmel immer noch dieselben waren, die er bereits als Junge gesehen hatte. »Es war bestimmt schlimm für Sie, die Ranch zu verlieren«, sagte de Vaca leise.
»Es war das Schlimmste, was mir je widerfahren ist. Ich war mit Leib und Seele diesem Land verhaftet.« Carson spürte, wie er Durst bekam. Er tastete so lange im Sand herum, bis er einen kleinen Kieselstein gefunden hatte, den er an seiner Jeans abwischte und in den Mund steckte. »Ich fand es toll, wie Sie Nye und die anderen pendejos in den Geländewagen abgehängt haben«, sagte de Vaca. »Das sind Idioten«, entgegnete Carson. »Unser wirklicher Feind ist die Wüste.«
De Vacas Bemerkung brachte ihn zum Nachdenken. Es war sehr einfach gewesen, die Geländewagen abzuschütteln. Erstaunlich einfach. Sie hatten bei der Verfolgung nicht einmal die Scheinwerfer ausgeschaltet und waren auch nicht ausgeschwärmt, als sie den Rand der Lava erreicht hatten. Statt dessen waren sie wie die Lemminge im großen Pulk nach Süden abgerauscht. Es war verwunderlich, daß sich Nye so dumm anstellte. Nein, hier stimmte etwas nicht. Nye würde sich niemals so dumm anstellen.
Carson richtete sich mit einem Ruck auf und fragte sich, ob Nye überhaupt in einem der Geländewagen gewesen war. Je mehr er darüber nachdachte, desto weniger wahrscheinlich erschien es ihm. Aber wenn er nicht die Gruppe in den Fahrzeugen angeführt hatte, wo war er dann? In Mount Dragon, um die Lage unter Kontrolle zu bringen?
Auf einmal wurde Carson mit einem Schauder kalter Angst bewußt, daß Nye irgendwo hier draußen sein mußte und ihnen nachstellte.
Nicht in einem lauten, unbeholfenen Geländewagen, sondern auf seinem großen, gescheckten Pferd. Mist. Carson hätte Muerto mitnehmen oder ihm wenigstens einen langen Nagel in den Huf treiben sollen. Während er sich noch wegen seiner Gedankenlosigkeit verfluchte, sah er auf die Uhr. Es war drei Viertel vier.
Nye hielt an und stieg ab, um sich ein weiteres Mal die nach Norden führenden Spuren anzusehen. Im starken Strahl seiner Taschenlampe konnte er sogar die einzelnen, fast mikroskopisch kleinen Sandkörner sehen, die am Rand der Hufspuren hingen und die noch kein Windhauch aus ihrer instabilen Lage gebracht hatte. Die Spuren konnten nicht älter als eine Stunde sein. Carson bewegte sich in leichtem Trab vorwärts und gab sich keine Mühe mehr, seine Spuren zu verwischen oder etwaige Verfolger irrezuführen. Nye schätzte, daß die beiden sich keine zehn Kilometer mehr vor ihm befanden. Bei Sonnenaufgang würden sie anhalten und für sich und die Pferde ein Versteck suchen, in dem sie den Tag verbringen konnten. Genau dann würde er sie sich vorknöpfen. Er stieg wieder auf und trieb Muerto zu einem raschen Trab an. Die beste Zeit, um die beiden einzuholen, war die kurz vor der Morgendämmerung, bevor ihnen überhaupt bewußt werden konnte, daß sie verfolgt wurden. Er würde sich verstecken und auf genügend Licht warten, um sicher zielen zu können. Seinem Pferd ging es gut. Es schwitzte zwar ein wenig von der Anstrengung, aber das war auch schon alles. Muerto konnte dieses Tempo noch gut fünfzig Kilometer durchhalten, und außerdem hatte Nye ja noch sechsunddreißig Liter Wasser dabei. Als er ein Geräusch hörte, zügelte er das Pferd und schaltete die Taschenlampe aus. Eine leichte Südbrise trug das
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