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Mount Maroon

Mount Maroon

Titel: Mount Maroon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ethan Bayce
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träumte sich in den großen Garten, in dem sein Vater zusammen mit ihm und Luther ein Baumhaus gebaut hatte, sah seine Mutter weiße Laken über die Wäscheleinen hängen und den kleinen Lieferwagen in der Einfahrt halten. Die Aufschrift auf der Plane war das erste, was Peter lesen konnte: Tischlerei Saunders. Nahezu alle Bewohner Raleighs nahmen die Dienste seines Vaters in Anspruch. Obwohl sie, wie in ländlichen Gegenden üblich, allesamt mit einem mehr oder weniger ausgeprägten handwerklichen Talent gesegnet waren, gab es immer wieder Bedarf nach fachmännischer Ausführung, Beratung oder Begutachtung. Neben Möbeln, Türen, Fensterrahmen und Särgen entstammten der Werkstatt aber auch Schaukelpferde, Roller und Schnitzfiguren. Für Peter war sein Vater ein wahrer Held und sein ganzer Stolz war es, mit ihm zusammen an Kaninchenställen und Seifenkisten zu arbeiten. Peters Vater, dem sein Sohn mit den Jahren äußerlich immer ähnlicher wurde, war ein netter, ehrlicher und offener Mensch. Seine Mutter war, wie Peter später auf Fotos bemerkte, sehr schön. Zu ihren Lebzeiten war er noch zu jung, um Menschen nach dem Grad ihrer äußerlichen Attraktivität zu ordnen. Was er damals wahrnahm, war die uneingeschränkte Freundlichkeit, mit der sie anderen begegnete. Er konnte sich gar nicht daran erinnern, sie jemals wütend oder auch nur ärgerlich erlebt zu haben. Für Peter waren seine Eltern das ideale Paar. Als sie starben, waren sie nicht einmal 30 Jahre alt; standen in der Blüte ihres Lebens, waren jung und lebendig. Und so behielt Peter sie in Erinnerung. Er wusste, dass eine Zeit käme, in der er sie altersmäßig überholen würde, dann eine Zeit, in der sie seine Kinder hätten sein können, aber irgendetwas in ihm sperrte sich gegen diesen Gedanken. Obwohl sie aufgehört hatten zu altern, blieben sie immer seine Eltern. Jedoch genossen sie gleichzeitig eine ewige Jugend.
    Peter ging einige Schritte durch das hohe Gras, sah den Abhang hinunter und horchte in die Stille hinein. Ja, sie waren da, es war wie immer. Die Seelen seiner Eltern lebten an diesem Ort und er konnte sie besuchen, wann immer er wollte. Sicher kam er als Erwachsener nicht mehr so oft hierher und seitdem er seine eigene kleine Familie hatte, sogar eher selten. Aber hin und wieder kam er, und er kam immer allein.
    Mason trat zu ihm. Fast hatte er ihn vergessen.
    - „Hier ist es. Genau an dieser Stelle sind wir am Morgen des 18. Juni 1975 verunglückt.“
    Er schaute auf seine Uhr.
    - „Fast genau zu dieser Stunde, exakt um 9:47 Uhr. Ich weiß das so genau, weil meine Uhr bei dem Aufprall einen Schlag abbekommen hatte und stehen geblieben war.“
    Peter sah in die Richtung, aus der sie damals gekommen waren. Die Straße lag staubig und flirrend in der Morgensonne des heißen Julitages. Dann blickte er wieder den Hang hinunter, der nach all den Jahren stark zugewachsen war. Ansonsten ähnelte die Stelle aber auf gespenstische Weise jener, die ihm Mason gestern gezeigt hatte. Peter sprach leise, wie von weit her, aus einer anderen Zeit.
    - „Meine Eltern starben, ich wurde gerettet. Ein Wunder, so einsam wie es hier ist. Hier ist nichts, kein Haus, keine Weide, kein Fluss, nichts. Da unten, wo der Wagen liegen blieb, ist nicht einmal ein Weg. Und doch war an diesem Tag jemand hier.“
    Mason wurde gleichzeitig heiß und kalt. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sich Realität und Vorstellung auf eine gefährliche Weise miteinander zu vermischen begannen. Dieser Mann, der sich Peter Saunders nannte, sprach offenbar von dem Unfall, von dem ihm Marty in der Nacht berichtet hatte, einem Unfall bei dem ein gewisser Peter Oswald Saunders zusammen mit seinen Eltern ums Leben gekommen war. Marty schien allerdings keine Bedenken zu haben, Mason mit dem vermeintlichen Peter Saunders zum Unfallort fahren zu lassen. Mason sollte sich die Stelle zeigen und den Unfallhergang so genau wie möglich beschreiben lassen. Besonders wichtig war Marty dabei die Perspektive, die Peter während der Schilderung einnahm. Vielleicht war es so, dass Peter den Unfall nur beobachtet und in seiner Phantasie die Rolle des kleinen Jungen angenommen hatte, den er im Auto verbrennen sah. Solche Übertragungsphänomene gab es durchaus.
    - „Erzählen Sie mir alles ganz genau, Peter.“
    Peter sah Mason an. Dieser schien ernsthaft interessiert zu sein. Er war freundlich, wie bisher eigentlich alle freundlich zu ihm waren. Aber dieser Mann, den er auf der gestrigen Autofahrt

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