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Mount Maroon

Mount Maroon

Titel: Mount Maroon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ethan Bayce
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DER BESUCH DER ALTEN DAME
     
    Mary Elderigde wohnte in einem weiß getünchten Farmerhaus am westlichen Ortsrand von Raleigh, einer kleinen 350-Seelen-Gemeinde zwischen den Maisfeldern von Saline County, Illinois. Sie lebte, seit ihr Mann George vor sieben Jahren gestorben war, alleine. Eigene Kinder hatte sie nicht, aber sie hatte Peter nach dem Tod seiner Eltern wie ihren Sohn aufgezogen. Und er hatte es gut gehabt bei seiner Tante. Sie war weder sonderlich streng noch übermäßig fürsorglich.
    Peter kannte den Ort, in dem sich seit seiner Kindheit so gut wie nichts verändert hatte, wie man das Zimmer kennt, in dem man aufgewachsen ist. Für Peter und Luther waren das Dorf und seine Umgebung wie ein großes Kinderzimmer gewesen. Hier konnten sie sich frei bewegen und waren dennoch in einem rundum geschützten Raum. Jeder kannte jeden und für zwei abenteuerlustige Jungen gab es eine Menge zu entdecken. Jetzt dirigierte Peter Alan Mason durch die Erinnerungen seiner Jugend und war geneigt, ihm auch die unwichtigsten Kleinigkeiten zu erzählen, besann sich aber und beließ es bei der bloßen Beschreibung des Weges. Mr. Mason wiederum schien nichts Besseres zu tun zu haben, als nach Peters Anweisungen rechts oder links abzubiegen oder geradeaus zu fahren. Er war nun schon den zweiten Tag mit ihm unterwegs und ging selbstlos auf alles ein, was Peter sagte. Selbst als sie übernachtet hatten, rief er noch nicht einmal jemanden an. Peter dachte an die alte chinesische Weisheit, dass jemand, der das Leben eines anderen gerettet hat, ab diesem Zeitpunkt für immer für diesen verantwortlich war. Obwohl er das schon oft gehört hatte, wusste er nicht genau, welcher Sinn dahinter steckte, ja ob es andersherum nicht vielleicht sogar logischer wäre, und schon gar nicht, ob es auch für ihn als Nicht-Chinesen galt und wenn ja, ob er sich darüber freuen sollte oder nicht. Im Augenblick freute er sich erst einmal auf Tante Mary oder besser Polly, wie Luther und er sie nannten.
    Sie fuhren auf den Hof und parkten gegenüber der kleinen Scheune, in der sich die Jungen früher so gerne versteckten und den kleineren Kindern aus der Nachbarschaft Indianergeschichten erzählten. Peter war dieses Fleckchen Erde so vertraut, das Haus, der Garten, die Bäume und auch der Geruch des schwülen Sommertages. Langsam gingen sie zum Wohnhaus hinüber. Peters Gedanken waren wieder bei Ellen. Wie oft war er mit ihr und Irene hier gewesen, oder stimmten diese Erinnerungen auch nicht? Wenn er nicht in Annapolis wohnte und nicht mit Ellen verheiratet war, konnte er auch nicht mit ihr hier gewesen sein. Das Haus, in dem sie wohnten, gab es nicht und auch die Stadt, in der Ellen, also die andere Ellen mit ihrem Mann und ihren Söhnen wohnte, hatte er noch niemals zuvor besucht. Aber hier war es anders, hier kannte er alles. In diesem Haus war er zweifellos aufgewachsen und gleich würde Polly ihnen die Türe öffnen. Sie würde ihm helfen, ihm alles erzählen. Sie konnte sagen, wie es wirklich um ihn stand, was real war und was bloße Einbildung.
    Sie läuteten an der Tür und Peter erkannte den Klang der Schelle. So hatte sie schon immer geklungen. Wie schön, dass sich manche Dinge ein Leben lang nicht ändern. Schritte waren zu hören, und ein Bellen – Rooster! Ein wirklich seltsamer Name für einen Hund. Die Nachbarskinder hatten angefangen ihn so zu rufen, weil sein Fell im Nacken gegeneinander wuchs und sich zu einem Hahnenkamm aufrichtete. Eigentlich hieß er Barry, aber nach einer Weile hörte er nur noch auf Rooster. Und weil ihm dieser Name offenbar besser gefiel, nannten ihn schließlich alle so. Die Tür schwang zurück und ein hellbrauner Spanielmischling schoss hervor. Er sprang unvermittelt an Peter hoch.
    - „Rooster, hör sofort auf damit. Was soll denn das? Du kennst die Herren doch gar nicht. Entschuldigen Sie, er ist immer so ungestüm.“
    Mary Elderidge blickte die Fremden an und zwar eben so, wie man Menschen anblickt, die sich noch nicht vorgestellt hatten und deren Anliegen nicht offensichtlich war. Mrs. Elderidge war gutmütig und sie hatte keine Angst, denn die friedlichen Bürger in diesem Teil Amerikas teilten mit den Outlaws, wie man sie hier immer noch nannte, die Erkenntnis, dass es in Raleigh nichts zu holen gab. Denn wer würde schon eine alte Frau für einen Schinken oder einen selbst gemachten Kuchen überfallen? Es sei denn, er hätte gewusst, dass Mrs. Elderidge die besten Kuchen weit und breit machte.

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