Mount Maroon
Licht und Schatten, ließ die Bewegungen des Tages erstarren. Es war, als ob tausend tote Augen ihnen folgten, feindselig blickten und den Eindruck erweckten, sie seien nicht willkommen. Wer die nächtliche Ruhe dieses Ortes durch seine Anwesenheit störte, wurde unweigerlich zum Gegenstand der Aufmerksamkeit. Peter und Luther sahen sich um. Nicht dass Peter und Luther Angst hatten, aber vielleicht wären sie, hätte man ihnen die Wahl gelassen, doch lieber tagsüber hierher gekommen. Gerade Luther hatte als Arzt gewissermaßen ein sehr persönliches Verhältnis zum Tod. Nicht selten blickte er ihm direkt ins Gesicht, wenn ein Herz, das im vorigen Augenblick noch schlug, plötzlich und manchmal ganz unverständlicherweise seinen Dienst quittierte. Hier aber ging es nicht um Leben und Tod, sondern einzig und allein um Letzteres.
Bald hatten sie das Grab erreicht. Beide hatten Kindheitserinnerungen daran, wie sie hier standen, auf die frischen Blumen und den Grabstein mit den Namen blickten, wenngleich in Peters Gedächtnis ein Eintrag weniger darauf verzeichnet war. Nur gestern, als er mit Mason hier war, zeigte sich das gleiche Bild, das jetzt im Schein seiner Taschenlampe lag. Luther stemmte den Spaten in die Erde und stellte, um den Druck zu erhöhen, einen Fuß auf die Kante. Hinter einer entfernten Hecke knackte ein Ast. Die Freunde hielten in ihrer Bewegung inne, sahen sich an, fingen aber gleich darauf an zu lachen. Es war nicht ernsthaft davon auszugehen, dass einer der Anwohner aus seiner Gruft geklettert war, um in die Büsche zu pinkeln, wie Luther im Scherz bemerkte. Die nächtliche Fauna nahm offenbar ihre Aktivitäten wieder auf, die durch das unerwartete Auftauchen der Grabräuber gestört worden war. Schaufel um Schaufel wurde in die Erde gesteckt und selbige im hohen Bogen durch die Luft geschleudert. Der Mond schien jetzt heller. Vielleicht hatte man sich auch an die Dunkelheit gewöhnt. Ihre Taschenlampen lagen am Rand des Aushubs, leuchteten aber eher darüber hinweg. Luther war bereits bis zur Hüfte verschwunden.
- „Was glaubst du, wie tief wir graben müssen?“
- „Anderthalb Meter? Keine Ahnung. Gibt es da eine Norm? Ich denke, irgendwann müssten wir auf Knochen stoßen.“
- „Ich erkenne die Gebeine eines Kindes, wenn ich sie sehe“, erklärte Luther.
Auch Peter war in die Grube gestiegen, um am Boden nach festen Bestandteilen Ausschau zu halten. Bisher hatten sie aber nur Kieselsteine geborgen.
- „Soweit ich weiß, haben die die Särge damals nebeneinander beigesetzt, also nicht übereinander. Das hätte ja auch komisch ausgesehen. Die werden also noch genauso angeordnet sein. Ich weiß aber nicht mehr, ob der kleine Sarg in der Mitte lag.“
Nach einer guten Stunde waren sie über die erwartete Tiefe hinaus und noch immer nicht auf einen Knochen gestoßen. Knieend suchten sie den modrig riechenden Boden ab, als plötzlich ein Schatten auf die steile Innenwand des frisch ausgeschachteten Grabes fiel. Peter sah zuerst, wie er sich langsam aufbaute, und bedeutete Luther sich umzudrehen. Als sie sich aufgerichtet hatten, waren ihre Köpfe auf Höhe der Grasnarbe. In gespannter Erwartung blickten sie in die Richtung des herannahenden Schattens. Peter griff zu seiner Lampe und der weißbehaarte Kopf eines alten Mannes geriet in ihr Blickfeld. Im Schein der Taschenlampe wirkte die Gestalt grauenvoll und bedrohlich. Die von schräg unten angeleuchteten Augen lagen in tiefen Höhlen und die faltige Haut ließ das Gesicht stark zerklüftet erscheinen.
- „Habt ihr nichts Besseres zu tun, als nachts hier rumzubuddeln und den alten Jake zu wecken? Was sucht ihr Lümmel da überhaupt? Man könnte ja glauben, da sei ein Schatz vergraben.“
Jake lehnte sich gegen den Grabstein. Scheinbar ließ das Interesse an den Grabräubern schon wieder nach. Peter und Luther hatten sich auf den Rand der Grube gesetzt, als Jake dann aber doch noch einmal ansetzte:
- „Ich übernachte nun schon gut zehn Jahre auf diesem Friedhof, zumindest im Sommer, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt. Erst kommen da am Abend diese Kerle und heben das Grab hier aus und dann mitten in der Nacht kommt ihr. Wie lang soll das noch so weiter gehen? Grab auf, Grab zu, was versprecht ihr euch davon?“
- „Moment mal Jake, was waren das für Männer, von denen Sie gerade sprachen?“
- „Na ihr!“
Jake bog sich vor Lachen und wäre dabei fast in das Grab gefallen.
- „Nein, die anderen, die das Grab abends
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