Mount Maroon
sie die Straße erreichen würden, der Punkt, an dem einige Bewaffnete ihnen zweifelsohne einen gebührenden Empfang bereiten würden. Peter und Luther hielten kurz inne, dann wandten sie sich nach rechts. Auch hier würden sie schon bald auf eine Straße treffen, aber vielleicht hatten sie Glück und die Männer standen etwas weiter entfernt. Hinter ihnen waren jetzt nicht nur Lichter zu sehen, sondern auch Stimmen zu hören. Augenscheinlich hatten die Männer ihren Schwenk bemerkt. Sicher würden sie die anderen über Funk in Kenntnis setzen. Von links vorne drang Licht in den Wald, Schatten entstanden, drehten sich um ihre eigene Achse und verschwanden, der Suchscheinwerfer wurde geschwenkt. So bedrohlich das auch wirkte, so wussten Peter und Luther nun zumindest, wo sich ihre Gegner postiert hatten. Wenig später traten sie aus dem Wald, vorsichtig wie Rehe blickten sie die Straße entlang. Doch zu spät, schon hatte der Scheinwerfer sie gestreift, schwenkte noch ein kleines Stück weiter, dann zurück – Showtime! Rasch liefen sie in das gegenüberliegende Maisfeld hinein. Eigentlich auch keine schlechte Tarnung, denn der Mais überragte beide wie ein großer Bruder. Motoren heulten auf, Reifen quietschten. Sofort war ihnen klar, was passieren würde. Und tatsächlich fuhren die Jeeps einfach in das Feld hinein, mähten alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Die Überlebenschance stand im umgekehrten Verhältnis zur Fläche der niedergestreckten Maispflanzen, ein beunruhigendes Gefühl. Ein ums andere Mal vernahmen sie die dröhnenden Motorengeräusche, die dicht neben ihnen aufkeimten, bedrohlich anwuchsen und wieder verebbten. Die Freunde drängten zurück zur Straße. Vielleicht gelang es ihnen wieder in den Wald zu wechseln. Wo befanden sich die anderen Verfolger, die Männer, die hinter ihnen hergelaufen waren? Vermutlich hielten sie sich von dem auch für sie tödlichen Maisfeld fern. Peter und Luther erreichten die Straße, rannten sie hinunter. Erst als sie an der Biegung in Richtung der Ortschaft waren, hörten sie hinter sich Schüsse. Der Fußtrupp hatte erneut die Verfolgung aufgenommen. Luthers erster Gedanke war, in seinem Elternhaus Unterschlupf zu suchen, aber das lag am anderen Ende von Raleigh. Außerdem würden seine Eltern einen riesigen Schrecken bekommen, wenn er dreckig und in zerrissenen Kleidern wie ein Wahnsinniger bei ihnen auftauchte, noch dazu um diese Zeit. Wenn sie überhaupt erst einmal das Dorf erreichten, würden ihre Chancen deutlich steigen. Nach etwa 100 Metern wurde die Befürchtung zur Realität. Die Jeeps waren auf die Straße zurückbeordert worden. Jetzt hatte Peter eine Idee. Keuchend deutete er auf ein brachliegendes Feld, an dessen Ende sich ein Wohnhaus und eine Scheune abzeichneten. Luther kannte das Grundstück. Es gehörte Peters Tante, also des Peters, der in früher Kindheit einmal sein Freund war und neben dessen erwachsenem Ebenbild er in diesem Augenblick um sein Leben rannte. Sie spurteten über den trockenen Boden, der schon bald beleuchtet wurde. Die Autos kamen näher und Luther war sich sicher, dass sie sie binnen kurzer Zeit einholen würden. Sie hatten hier einfach keine Chance. Es gab nichts, was ihnen Schutz bot. Einzelne Männer waren nicht mehr zu sehen, sie waren demnach wieder alle in die Autos gestiegen. Wenigstens schossen sie nicht mehr. Die Häuser kamen näher, aber der Abstand zu den beiden Jeeps verkürzte sich wesentlich schneller. Als sie die Freunde fast erreicht hatten, wandte sich Peter ruckartig zu Luther.
- „Spring!“
Der Graben war unvermittelt vor ihnen aufgetaucht, weit über einen Meter breit und ebenso tief. Er hatte Onkel George zur Bewässerung seiner Felder gedient. Als sie das Krachen hörten, drehten sie sich um. Einer der Wagenlenker hatte rechtzeitig bremsen können, aber das andere Fahrzeug steckte schräg in der Landschaft. Endgültige Sicherheit bot dieser Anblick allerdings nicht. Fünf, sechs Männer sprangen bereits über die Furche. Vor Peter und Luther lag noch ein maroder Zaun, dann hatten sie den Hof erreicht. Peter lief geradewegs auf den alten Pickup zu, der so verloren dastand, wie ein übrig gebliebenes Tortenstück nach der Kaffeezeit.
- „Los, rein da!“
Der Schlüssel steckte tatsächlich, Mrs. Elderidges Carsharing funktionierte. Peter drehte ihn rasch um. Die Zündung stotterte, doch dann sprang der Motor an. Wie angewurzelt standen die Jäger da, als der klapprige Wagen davonfuhr.
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