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Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Titel: Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hunt
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und brutal, dass es einen normalen Mund zerrissen hätte. Bei Clementines Erscheinen rückte die Ursache des Knirschens näher an seine Ohren heran, und das Kauen beschleunigte sich.
    »Willst du nicht herunterkommen und alle begrüßen?«, sagte Clementine. »Sie würden dich so gern sehen. Mary und Christopher sind da.«
    Mary, ihre jüngste Tochter, und ihr Mann waren regelmäßige Besucher und immer willkommen, aber Churchill konnte seine Frau im Moment kaum verstehen. Die Steine knirschten mit einem solchen Tempo aufeinander, dass er meinte, sie würden gleich Funken schlagen. Sie tönten so nahe, dass es schon obszön war. Clementine sagte wieder etwas. Die Gleichzeitigkeit der Geräusche war unerträglich.
    »Ich komme gleich, Mrs. Pussycat«, sagte Churchill ohne die übliche Wärme.
    »Wir haben dir vom Abendessen etwas aufgehoben. Es gibt Hühnchen«, sagte Clementine hoffnungsvoll.
    »Gar nicht dran zu denken«, sagte Black Pat sofort, die Stimme von den Steinen im Maul verzerrt. »Wir haben Sachen zu besprechen, das weißt du.« Dem Aufschlag eines ausgespuckten nassen Steins folgte rasch der nächste. Der erste Stein landete auf dem Teppich, einem Geschenk des Schahs von Persien, und machte ein dumpfes Geräusch. Der zweite Stein landete mit einem Knall auf den Holzdielen.
    »Ich komme gleich«, wiederholte Churchill mit mehr Nachdruck. Und nach fünfundfünfzig Jahren Ehe wusste Clementine, wann sie ihn den Dornen seiner Einsamkeit überlassen musste.
    Das von unten heraufdringende lebhafte Geplapper bekam einen hörbaren Dämpfer aufgesetzt, als sie die Mitteilung machte. Enttäuschtes Schweigen folgte, bevor Schritte erklangen und sich in einem anderen Raum verloren.
    »Ich weiß genau, was du denkst«, sagte Black Pat. Ohne die Steine war sein Maul wie ein elastischer Sack, und er sprach lauter, wo sie jetzt allein waren. »Das weiß ich immer. Wir kennen uns zu gut.«
    Mit einem grimmigen Blick über den Rand seiner Schildpattbrille fing Churchill an zu schreiben. Da er keine Reaktion bekam, fuhr Black Pat fort: »Du kannst mich nicht ignorieren. Wir haben viel zu tun.« Ein grausames Feixen zog seine Lefzen nach oben, als Churchill sich weigerte, darauf einzugehen. »Gut, lass dir Zeit. Ich kann warten.«
    Black Pat ging mit breitbeinigen Cowboyschritten an den großen Bücherschrank hinter Churchill, einen von vielen, die in die Wände des Zimmers eingelassen waren, und betrachtete einige Schwarzweißfotos, die dort zwischen den ochsenblutrot gebundenen und goldgeprägten Büchern standen. Ein Foto zog ihn besonders an: ein Bild von Rota, dem Löwen, den Churchill als Welpen geschenkt bekommen hatte. Der Löwe war an den Londoner Zoo weitergereicht worden, wo ihm eine üppige dunkle Mähne gewachsen war. Black Pat bewunderte die Mähne mit einem gewissen Neid. Er stellte das Bild zurück und begab sich zum Aquarium, das auf einer Eichentruhe aus dem siebzehnten Jahrhundert stand. Darin schwammen zwei Black Mollys.
    Einer verschwand hinter den Wasserpflanzen. Mit spitzem Kopf und zarten Flossen kam der andere neugierig heran. Black Pat hätte ihn liebend gern gefressen und presste die Zunge ans Glas wie eine graue Auberginenscheibe. Der Molly schoss davon und versteckte sich. Black Pats heiße Fressgier verging. Seine Zunge hinterließ einen großen Schmierfleck. Er schlurfte zum Kamin zurück und legte sich hin, wobei er seine mächtigen Vorderbeine mehrmals umständlich umlegte, ehe er den großen Kopf darauf ruhen ließ.
    Churchill beobachtete es aus den Augenwinkeln. Er nahm die Brille ab und hielt sie in der Faust. »Ich hatte erwartet, dass du heute Nachmittag zu der Sitzung in Westminster kommst.«
    »Ich hatte daran gedacht.«
    »Ja.« Churchill rieb sich müde die Stirn. »Müssen wir das heute Abend machen? Ich bin erschöpft.«
    »Ich lasse nicht mit mir handeln.« Black Pats unbewegter Blick war für Churchill schwer zu ertragen.
    Auf dem Schreibtisch stand ein Glasquader als Briefbeschwerer, obendrauf ein kleiner Stoffpudel. Churchill legte die Hand darum und prüfte das Gewicht. Ein Bronzeabdruck der Hand seiner Schwiegertochter stand auf der Fensterbank. Er erinnerte sich, wie viel der wog, und dachte daran, sich ihn zu greifen. Aber wenn er die Skulptur als Wurfgeschoss missbrauchte, würde das wahrscheinlich die feinen Bronzefinger beschädigen, vielleicht sogar abbrechen, und da Churchill an dem Stück hing, ließ er es bleiben. Stattdessen schlug er einen ernsten Ton an, die

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