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Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Titel: Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hunt
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beobachtete er, wie Esther den Schuh musterte. Und da erkannte sie ihn.
    »Black Pat, der gehört Michael!« Er senkte reuig die Nase. »Du hast ihn aus dem Schuppen gestohlen?«
    Der Schuppen war ein malerisch vor sich hinmodernder Verschlag am schattigen Ende des Gartens. Ein Vorhängeschloss sicherte den Rasenmäher und andere Geräte, Päckchen mit fossilisiertem Saatgut und einen Stapel alter Terrakottatöpfe mit weißlichen Ausblühungen. Dieser Schuh gehörte zu einem Paar, das Michael getragen hatte. Er hatte es bei Regenwetter getragen, er hatte es beim Mistfahren mit der Schubkarre getragen, er hatte es bei herbstlichen Gartenfeuern getragen und dabei über Esther und Beth gelacht, wenn diese ängstlich das Gesicht verzogen, auf Kracher gefasst.
    »Du frisst Michaels Schuh.« In Esthers Stimme schwang ein warmes Gefühl für den Schuh. Ihre Gedanken umspielten den kommenden Jahrestag. Black Pat wollte sie ködern, und sie fürchtete die Absicht, die dahinterstand. Doch dann wurde diese Furcht abgelöst von einer diffusen Zuneigung. So abscheulich er war, er leistete ihr immerhin Gesellschaft.
    Unbekümmert klaubte sich Black Pat ein Bröckchen Leder aus den Zähnen. Er würgte etwas hoch und schluckte es wieder hinunter. Er legte den Kopf auf den Boden. Ein gieriges Luftschnappen hatte zur Folge, dass ihm etwas im Hals steckenblieb. Angestrengtes Husten machte die Kehle wieder frei.
    Esther stand auf. Ihre Strümpfe waren unten ganz braun von der Erde.
    »Wo gehst du hin?«, rief Black Pat.
    »Mir einen Gin Tonic holen.«
    »Kann ich auch einen haben?«
    Ihre scherzhafte Feindseligkeit war nur halb scherzhaft; dass er Michaels Schuh angefressen hatte, verletzte sie immer noch. »Warum sollte ich dir einen geben?«
    »Because, because, because, because«, sagte Black Pat zur Melodie von The Wizard of Oz , »because of the wonderful things I does.«
    Von der Küchentür kam die schneidende Erwiderung: »Von wunderbar kann nicht die Rede sein. Alles, was du doest , ist grässlich.«
    »Sei doch nicht«, rief Black Pat mit anzüglichem Grinsen hinter ihr her, »so kokett.«
    In der Küche machte Esther sich einen Drink. Für Black Pat holte sie die Gießkanne unter dem Spülbecken hervor und machte ihm einen zehnmal so großen Cocktail. In den Garten zurückgekehrt, sah sie, dass er den restlichen Schuh in seine Einzelteile zerlegt und sorgfältig ausgebreitet hatte. Jetzt begutachtete er die Lederfetzen mit wissenschaftlicher Akribie.
    Esther wischte die Auslage mit den Zehen weg.
    »Ist die Gießkanne für mich?«
    »Nein, für mich natürlich.« Ihr Blick war ernst, doch ein Grinsen verriet sie. Sie reichte ihm die Gießkanne. »Sie ist absolut ideal für dich, das musst du zugeben.«
    So zweifelhaft die Lösung war, Black Pat nahm sie trotzdem. Er hatte genug Bier getrunken, mit dem Effekt, dass er durchaus aufgeschlossen war für Neues. Er schob sich die Tülle in den Rachen und nuckelte daran wie ein Fohlen, wobei er Esther mit aufgerissenen Augen anglotzte. Der Blick war ein Ausrufezeichen, ein Triumph der neuen Eroberung. Doch als er sie ansprach, klang er ernst.
    »Du kannst mit mir reden, weißt du … wenn du willst.«
    »Worüber denn?«
    Eine vorsichtige Pause: »… Über ihn.«
    Michael? Esther sagte: »Warum?«
    »Weil er nett war«, antwortete Black Pat. Er merkte es. »Er muss nett gewesen sein … Schließlich hast du ihn geheiratet.«
    »M-hm.« Mehr hatte Esther nicht zu sagen.
    »Also rede mit mir.«
    Ein kurzes Schweigen. »Ich kann nicht.« Sie sagte es noch einmal, zu ihm und zu sich selbst: »Ich kann nicht.«
    Leise und verführerisch: »Esther, du kannst es.«
    Und fast hätte sie es getan. Doch dann ging der Rollladen herunter. »Aber ich will nicht. Da wirst du lange warten müssen.«
    Black Pat war einen Moment still, fühlte die elektrische Spannung, die von Esthers verschlossenem kleinen Brustkasten ausging. Er lag da und fühlte sie. Dann sagte er mit zudringlicher Intimität: »Ich kann warten.«

22
    19 Uhr 45
    D en habe ich von dem Baum ganz unten im Garten«, sagte Big Oliver, als er durch die Terrassentür ins Wohnzimmer trat. Hoch erhoben wie die olympische Fackel hielt er einen Apfel in der Hand. »Aus dem Garten!«, wiederholte er und sah den Apfel an, als ob er der erste auf Erden wäre. Herzhaft biss er ein großes Stück samt Griebs und Kernen ab. »Schreck, lass nach«, sagte er und verzog das Gesicht, »ist der sauer !« Der Apfel blieb auf dem Tisch liegen.
    »Mir

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