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Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Titel: Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hunt
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absichtlich. »Ja, einige von uns blicken auf zu den Laternen, den vielen hellen Laternen. Und möchten sie gern ausschalten, um ungestört schlafen zu können.«
    Esther drehte den Kopf in einer Weise, die sagte: Ich geb’s auf. Sie sprach es aus: »Ich geb’s auf.«
    Eine Weile herrschte Stille. Esthers Schweigen war in sich gekehrt. Black Pats Schweigen wurde verdächtig. Sie sah nach ihm. Er lag lang auf der Seite, fast auf dem Rücken – eine leicht unmanierliche Haltung. Er starrte das wieder an der Wand hängende Foto an.
    Esther fand die Intensität seines Blicks befremdlich. Etwas daran war ungewöhnlich. Das Bild teilte ihm ein Geheimnis mit und löste eine Lackmusreaktion aus, die seine wölfischen Züge färbte.
    Es war nicht richtig anklagend, aber auch nicht neutral, als er sagte: »Warum hast du es wieder aufgehängt?«
    »Es ist von unserer Hochzeit.« Es klang wie eine Entschuldigung. »Es hing dort, bevor Michael es wegnahm, da dachte ich … « Sie beendete den Satz nicht, hauptsächlich weil sie nicht wusste, wie. Der nächste Satz war ein Test. »Wir waren an dem Tag so glücklich wie noch nie jemand zuvor.«
    Mit eiskalter Grausamkeit wiederholte Black Pat: »So glücklich wie noch nie jemand zuvor.«
    Eine Bemerkung voll Gift und Stacheln. Esther ließ sie unkommentiert und betrachtete das Foto.
    »Ihr beide?«
    »Ja.« Sie war sich nicht sicher.
    Black Pats anschließendes Schweigen war ein Geständnis. Esther merkte es.
    »Du weißt, dass Michael nicht mehr hier wohnt.«
    Black Pat machte einen bejahenden Laut in der Kehle.
    »Und weißt du auch, warum?«
    Keine Antwort.
    »Ich glaube, du weißt es.«
    Keine Antwort.
    »Ich kann’s nicht erklären.«
    »Dann lass es, Esther.«
    Wenige Sekunden, dann sagte sie zu ihm: »… Ich glaube, du hast etwas damit zu tun.«
    Black Pat regte sich nicht. »Dieses Foto, hast du dich je gefragt, warum er es abgenommen hat?«
    Jetzt war es Esther, die keine Antwort gab.
    Gelenke knackten: Der Hund setzte sich auf. Er legte den Kopf auf den Tisch, Zentimeter von ihr entfernt. Esther erstarrte auf ihrem Stuhl, erschrocken über seine merkwürdige Zutraulichkeit.
    Auf diese kurze Distanz wurde deutlich, dass Black Pats Fell von unterschiedlicher Art war. Um den Hals herum hingen dicke Zotteln, darunter eine daunenartige Isolationsschicht. Das Fell auf dem Kopf war fein und glatt, lud zum Streicheln ein. Die beiden verharrten so. Dann verzog Black Pat freundlich das Maul. Er wiegte den Kopf auf dem Schreibtisch, gab sich harmlos. Esthers rechte Hand berührte die flache Partie zwischen den Ohren. Ihre Hand dort war winzig, ein blasses Etwas auf dem schwarzen Block seines Kopfes. Die Form seines Schädels war anders als gedacht, merkte sie, als sie die Höcker darauf befühlte. Ganz flau vor Apathie streichelte Esther das Fell und sagte: »Ich finde es furchtbar, dass du mir nicht sagst, was du damit zu tun hast und was du weißt. Und außerdem finde ich es furchtbar, dass du das komisch findest.«
    »Was?«
    »Du machst ständig Witze, du findest es komisch.«
    »Ach, Esther.« Er klang müde. »Ich finde es nicht komisch.«
    »Nein?«
    »Nein.« Black Pat verdrehte den Kopf, um ihre Hand an den Ansatz seines verzückten Ohrs zu bugsieren. Sie kratzte ihn dort und schwor sich dabei, nie wieder mit dieser Hand zu essen. Das Fell fiel ihm in Büscheln aus.
    »Warum fragst du mich nicht, was ich weiß, wenn es dir so wichtig ist?« Er forderte sie heraus. »Na los, frag mich!«
    »Vielleicht irgendwann.«
    »Warum nicht jetzt?«
    »Weil … « Sie kapitulierte mit einer Grimasse. »Weil ich es nicht wissen will.« Sie legte die Hand in den Schoß. Seine Ohren richteten sich protestierend auf.
    Doch eine Frage hatte Esther noch. »Moment mal, wenn wir es beide nicht komisch finden, warum machst du dann Witze?«
    Die Augenbrauen gingen hoch, der Kennerblick kam. »Weil wir die Lacher brauchen.«

Samstag, 25. Juli 1964

28
    10 Uhr 30
    S o«, sagte Clementine, als sie Churchill in sein marineblaues Jackett half. Sie trat zurück. »Du siehst großartig aus.«
    Churchill blickte an sich hinab. Er stand im Salon neben dem Ostfenster, hinter Clementine der Hund, der soeben eingetroffen war und ihn höhnisch angrinste. Black Pat hob die Pfote zu einer Art römischem Gruß und ließ sie in weitem Bogen sinken.
    Churchill ignorierte ihn und wandte sich einem der großen Spiegel zu, die links und rechts des Fensters hingen. »Ich sehe alt aus«, sagte er zu seinem

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