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Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Titel: Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hunt
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zu werden. Sie ist mein Nordstern und ist mir über all die Jahre ein Quell außerordentlicher Stärke gewesen.«
    Eine weitere Frage wurde zugelassen. »Gibt es etwas, was Sie noch tun möchten?«
    »Jede Menge«, sagte Churchill. »Ich hätte nichts dagegen, die Avenue de Champagne Nummer 44 zu besuchen, die erste Adresse in der Welt der edlen Getränke. Dort, in Pol Rogers’ Château in Épernay, wird mein Lieblingschampagner hergestellt. Es ist kein Geheimnis, dass es mir gefallen würde, ein paar sonnige Tage dort zu verbringen, das eine oder andere Fläschchen zu kosten, die Trauben selbst mit den Füßen zu treten.«
    Die Journalisten ließen das Bild vor ihrem geistigen Auge erstehen.
    »Keine Sorge, meine Herren«, fügte Churchill hinzu. »Ich werde dafür sorgen, dass die Produkte dieser speziellen Churchill-Kelterung nicht in den Handel gelangen.«
    »Was macht Ihnen sonst noch Freude?«, fragte ein Journalist.
    »Vieles. Zu einem Glas Pol Roger ist mir immer eine Zigarre willkommen, und zwar eine Romeo y Julieta. Das ist eine Spitzenmarke, ein Kunstwerk von einer Zigarre.«
    Das war allen Journalisten bekannt. Sie notierten es trotzdem. Hinter ihnen an der Rückwand des Saals richtete sich eine schwarze Totemgestalt vom Boden auf. Da er Pressekonferenzen nicht viel abgewinnen konnte, hatte Black Pat an der Wand lehnend vor sich hin gedöst. Jetzt, wo er sich erhoben hatte, nahm Churchill am Rande seines Blickfeldes wahr, wie der massige Hundekopf die nichtsahnenden Anwesenden überragte. Ein schlechtes Zeichen. Gewöhnlich blieb er draußen auf dem Flur liegen wie ein erschossener Elefant und zeigte nicht das geringste Interesse.
    Ein Journalist mit glatten blonden Haaren fragte: »Es klingt so, Sir Winston, als würden Sie sich nach Ihrer langen und zeitweise aufreibenden politischen Laufbahn richtig darauf freuen, von Montag an endlich ungestört Ihren vielen Interessen und Hobbys nachgehen zu können. In Ihrem Alter muss doch die Aussicht auf, äh, einen unkomplizierten Zeitvertreib eine gehörige Erleichterung sein.«
    Churchill atmete vernehmlich aus. »Unkompliziert?« Er ließ sich schwer an die Lehne zurückfallen. »Ich würde liebend gern … « Über sein Gesicht huschte ein Schatten der Entrüstung. Der gierig lauernde Black Pat wusste, was jetzt kam.
    »Es gibt zwei Antworten auf Ihre Frage«, sagte Churchill. »Die erste ist ein unkomplizierter Text, leicht und locker zu lesen. Aber wenn Sie genauer hinschauen, entdecken Sie Fußnoten. Und wie Fußnoten es so an sich haben, führen sie uns zu einer Originalquelle, der ursprünglichen Anregung. Die zweite Antwort steckt in diesen Fußnoten, die eine andere Prognose stellen.« Als Churchill nach kurzer Pause weitersprach, war sein Ton versonnen. »Meine Herren, darf ich Ihnen zu bedenken geben, dass der Anspruch auf Unsterblichkeit, den die Jugend so stürmisch anmeldet, im Greisenalter nicht immer aufgegeben wird. Mit solcher Abgeklärtheit sind nicht alle Menschen gesegnet.« Er blickte den blonden Mann an. »In meinem Alter, wie Sie sich auszudrücken beliebten … Sir, ich wünschte, es wäre so, denn ich stelle fest, dass das innere Ich sich dem Wandel der Zeit hartnäckig widersetzt.« Seine Lippen schoben sich kurz vor. »Die Wahrheit nämlich sieht so aus: Der Geist mag ein transzendenter Pilger sein, aber der Körper ist ein Tier. Und dieses Tier wird Sie so weit tragen, wie es kann. Froh seiner Bürde, wird es dienstwillig auf den Knien rutschen und sich Stück für Stück durch den Wüstenstaub quälen. Aber vergessen Sie nie, wohin sein Gang führt, denn dort bringt es Sie hin. Es ist ein Gang in die Nacht.«
    Churchill warf dem Hund einen Blick zu. Black Pat stand weiterhin auf den Hinterbeinen. Er wirkte fasziniert.
    Churchill wandte sich an die Journalisten. »Wenn Sie mich daher fragen, ob ich mich auf den Ruhestand freue, dann kann ich aus ebendiesen Gründen nicht sagen, dass ich darauf versessen bin. Es muss sein, aber ich wehre mich mit Händen und Füßen dagegen, das kann ich Ihnen sagen, weil die Arbeit eine heilige Ablenkung von diesen morbiden Anwandlungen ist. Doch da der Ruhestand all meinem Widerstand zum Trotz kommt, bereite ich mich auf die kommenden Jahre mit derselben Begeisterung vor, mit der ich mir etwa eine Gabunviper um den Hals hängen würde, im Gegensatz zu … sagen wir … «, er überlegte sich einen Gegensatz, »… dazu, mich gemütlich hinzusetzen und mir ein Minutensteak schmecken zu

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